Kristin Lavranstochter 1
erwiderte Lavrans und lachte rauh.
Aber sie konnten dem Bärenjungen nicht die richtige fette Milch verschaffen, und so tötete es Lavrans einige Tage später.
Die Sonne bekam so viel Macht, daß es um die Mitte des Tages ein wenig von den Dächern herabtropfte. Die Meisen klammerten sich an den Balkenwänden auf der Sonnenseite fest und hackten, daß es hallte, während sie nach den Fliegen suchten, die in den Spalten schliefen. Draußen auf den Feldern leuchtete der Schnee hart und glänzend wie Silber.
Endlich, eines Abends, schienen sich Wolken über den Mond zu ziehen. Am Morgen erwachten die Leute auf Jörundhof in einem so dichten Schneegewirbel, daß sie nach keiner Seite einen Ausblick hatten.
An diesem Tage wurde es ihnen klar, daß Ulvhild sterben würde.
Das ganze Hausgesinde war in der Stube versammelt, und Sira Eirik kam herüber. Es brannten viele Kerzen in der Stube. Am frühen Abend erlosch Ulvhild still und ruhig in den Armen der Mutter.
Ragnfrid trug es besser, als man erwartet hatte. Die Eltern saßen beieinander, sie weinten alle beide ganz still. Alle, die in der Stube waren, weinten. Als Kristin zum Vater ging, legte er den Arm um ihre Schulter. Er fühlte, wie sie bebte und zitterte, und da zog er sie an sich. Aber es schien ihr selbst, als müsse er fühlen, daß sie ihm mehr entrückt war als die kleine Tote im Bett.
Sie begriff nicht, wie sie es aushielt. Sie erinnerte sich kaum selbst an das, was sie vorher ertragen hatte, aber schlaff und stumm vor Schmerz hielt sie sich aufrecht und fiel ihm nicht zu Füßen.
In der Kirche wurden vor dem Altar von Sankt Tomas ein paar Dielen aufgerissen, und dort grub man in die steinharte Erde ein Grab für Ulvhild Lavranstochter.
Es schneite dicht und still während all der Tage, in denen das Kind auf dem Stroh lag; es schneite, als man Ulvhild zu Grabe trug, und fuhr fort zu schneien, fast ohne Aufhören, einen ganzen Monat hindurch.
Für alle die Menschen, die da auf die Erlösung durch den Frühling warteten, schien es, als wolle dieser niemals kommen. Die Tage wurden lang und hell, und das Tal lag in einem Dampf von schmelzendem Schnee, solange die Sonne daraufschien. Aber die Kälte hielt sich in der Luft, und die Wärme bekam keine Gewalt. In den Nächten fror es hart - es krachte im
Eise, es dröhnte in den Bergen drinnen, die Wölfe heulten, und die Füchse bellten ganz unten im Tal wie mitten im Winter. Die Leute schabten Rinde für das Vieh, aber die Tiere brachen haufenweise im Stall zusammen. Niemand wußte, wie das enden sollte.
Kristin ging hinaus, an einem jener Tage, da in den Wegfurchen das Wasser rieselte und der Schnee wie Silber über den Flächen glänzte. Auf der Sonnenseite waren die Schneewächten hohlgefressen, so daß das feine Eisgitter der Harschverbrämung mit leisem Silberklang zersprang, wenn sie mit dem Fuße daranstieß. Aber im kleinsten Schatten stand die scharfe Kälte in der Luft und war der Schnee hart.
Sie ging zur Kirche hinauf - sie wußte selbst nicht, was sie da sollte, aber es zog sie hin. Der Vater war dort - es waren einige Bauern da, Gildenbrüder, die im Kirchenrundgang eine Zusammenkunft hatten, das wußte sie.
Oben am Hügel begegnete sie mehreren Bauern, die herunterkamen. Sira Eirik befand sich unter ihnen. Die Männer waren alle zu Fuß, sie gingen in einem finsteren, zottigen Haufen, zusammengeduckt, und redeten nicht miteinander; mürrisch erwiderten sie ihren Gruß, als sie vorüberging.
Kristin dachte, es sei lange her, daß jeder Mensch in der Gemeinde ihr Freund gewesen war. Jetzt wußten wohl alle, daß sie eine schlechte Tochter war. Vielleicht wußten sie auch mehr über sie. Nun glaubten sie wohl auch alle, daß an dem alten Gerede über Arne und Bentein doch etwas Wahres gewesen war. Vielleicht stand sie im übelsten Ruf. Sie warf den Kopf zurück und ging zur Kirche.
Die Türe stand angelehnt. Es war kalt drinnen, aber dennoch strömte es ihr wie Wärme entgegen aus diesem dunklen und braunen Raum mit den hochaufstrebenden Holzsäulen, die das Dunkel zu dem Gebälk des Daches emporhoben. Auf den Altären brannte kein Licht, aber durch den Türspalt fiel ein wenig Sonne herein und blitzte schwach auf den Bildern und den Gefäßen.
Vorn beim Tomasaltar sah sie den Vater auf den Knien liegen, den Kopf auf die gefalteten Hände gesenkt, mit denen er die Mütze an die Brust drückte. Scheu und betrübt schlich sich Kristin hinaus und blieb in dem Bogengang stehen, der sich
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