Kristin Lavranstochter 1
baufällig gewesen, als sie auf Jörundhof eingezogen waren. Innen wie außen war es mit den schönsten Holzschnitzereien geschmückt, und wenn auch die Dachstube nicht groß war, so war sie desto leichter mit Teppichen und Webstücken und Fellen schön zu verkleiden.
Das Brautbett stand bereit, mit seidenbezogenen Kissen, schöne Teppiche waren wie ein Zelt ringsherum gehängt; über die Felle und die Webstücke war eine gestickte seidene Decke gebreitet. Ragnfrid und einige andere Frauen waren damit beschäftigt, Wandteppiche an den Balkenwänden aufzuhängen und Polster auf die Bänke zu legen.
Kristin saß in einem Lehnstuhl, den man heraufgetragen hatte. Sie war in ihr scharlachrotes Brautgewand gekleidet. Große Spangen hielten es über der Brust zusammen und schlossen das gelbe seidene Hemd an der Halsöffnung, goldene Armringe glänzten auf den gelben Seidenärmeln. Ein vergoldeter silberner Gürtel war dreimal um ihre Mitte geschlungen, und um den Hals und auf der Brust lag Kette an Kette, als äußerste die alte goldene des Vaters mit dem großen Reliquienkreuz. Ihre Hände, die im Schoß lagen, waren schwer von Ringen.
Frau Aashild stand hinter ihrem Stuhl und bürstete das schwere goldbraune Haar.
„Morgen sollst du es zum letzten Male offen tragen“, sagte sie lächelnd und wand die roten und grünen seidenen Binden, die die Krone stützen sollten, um Kristins Kopf. Dann scharten sich die Frauen um die Braut.
Ragnfrid und Gyrid von Skog nahmen die große Brautkrone der Gjesling-Sippe vom Tisch. Sie war ganz vergoldet, die Zacken endeten abwechselnd in einem Kreuz und in einem Kleeblatt, und der Reifen war mit Bergkristallen besetzt.
Die Frauen drückten sie der Braut in die Stirn. Ragnfrid war bleich, und ihre Hände zitterten dabei.
Kristin stand langsam auf. Jesus! Wie schwer war all dies Gold und Silber! Da nahm Frau Aashild sie bei der Hand und führte sie an einen großen Wasserbottich - während die Brautjungfern die Türen dem Sonnenschein öffneten, damit es hell werde im Raume.
„Spiegle dich nun, Kristin“, sagte Aashild, und Kristin beugte sich über den Bottich. Sie sah ihr eigenes Gesicht weiß aus dem Wasser heraufsteigen, es kam so nahe, daß sie die Goldkrone darüber erblickte. Ringsherum rührten sich so viele helle und dunkle Schatten im Spiegel, eine Erinnerung wollte auftauchen - dann war es, als sollte sie ohnmächtig werden, sie umfaßte den Rand des Bottichs. Da legte Frau Aashild die Hand auf die ihre und grub die Nägel so schmerzend ein, daß sie dadurch zu sich kam.
Unten von der Brücke her hörte man Lurhörner* blasen. Vom Hof wurde heraufgerufen, der Bräutigam komme jetzt mit seinem Gefolge. Die Frauen geleiteten Kristin auf den Altan.
Auf dem Hofplatz wogte es von Pferden in prächtigem Zaumzeug und von feiertäglich gekleideten Menschen, es glitzerte und schimmerte in der Sonne. Kristin blickte hinaus, vorbei an allem, hinaus in das Tal. Die Heimat lag hell und still unter einem dünnen nebelblauen Dunst, und aus dem Dunst stiegen die Berge grau von Felsen und schwarz von Wäldern empor, und die Sonne goß ihr Licht von einem wolkenlosen Himmel in das Becken des Tales herab.
Erst jetzt wurde Kristin es gewahr: alles Laub war abgefallen, die Haine schimmerten silbergrau und nackt. Nur das Erlengebüsch längs dem Flusse trug noch ein wenig vergilbtes Grün oben an den Spitzen, und die eine oder die andere Birke hielt noch ein paar weißlichgelbe Blätter an den Zweigenden fest. Aber die Bäume waren fast kahl - mit Ausnahme der Eberesche, die noch mit braunrotem Laub rings um die blutroten Beeren schimmerte. In dem stillen Tal duftete der aschenfarbene Teppich aus abgefallenem Laub, der überall ausgebreitet lag, säuerlich nach Herbst.
Wären nicht die Vogelbeerbäume gewesen, dann hätte es sehr wohl zeitig im Frühjahr sein können. Und wäre nicht die Stille gewesen - aber es war herbststill, so still. Jedesmal, wenn die Lurhörner schwiegen, hörte man keinen anderen Laut aus dem Tal als das Läuten der Kuhglocken von allen abgeernteten Feldern und Wiesen, auf denen das Vieh weidete.
Der Fluß war wasserarm und klein, er rauschte ganz still;
* Eine Art Alphorn.
nur ein paar kleine Rinnsale liefen zwischen Sandbänken und großen Inseln von rundgeschliffenen weißen Steinen. Kein Tosen der Bäche von den Höhen - es war solch ein trockener Herbst gewesen. Dennoch schimmerte es überall naß auf den Wiesen - aber das war nur die Feuchtigkeit, die im
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