Kristin Lavranstochter 1
früher so gegen mich gehandelt hast, wie es gar manche nicht schön nennen würden. Und Gott und die Jungfrau Maria wissen, daß ich keinen Groll gegen dich hegte, und ich liebte dich nicht weniger.“
Erlends Gesicht wurde weich.
„So dachte ich“, sagte er leise. „Das aber weißt du wohl auch: ich strebte all diese Jahre danach, das wieder aufzurichten, was ich niedergebrochen hatte. Ich tröstete mich damit, es würde zum Schluß so kommen, daß ich dich für deine Treue und Geduld belohnen könnte.“
Da hatte sie ihn gefragt:
„Du hast wohl von dem Bruder meines Großvaters und der Jungfrau Bengta gehört, die gegen den Willen ihrer Verwandten aus Schweden flüchteten. Gott strafte sie damit, daß er den beiden kein Kind schenkte. Hast du in diesen Jahren nie gefürchtet, er könnte uns so strafen?“
Bebend und leise hatte sie zu ihm gesagt:
„Du wirst dir wohl denken können, mein ErIend, daß ich nicht sehr froh war im Sommer, als ich dies zum erstenmal gewahr wurde. Trotzdem dachte ich ... Ich dachte, solltest du mir sterben, ehe wir verheiratet wären - so wollte ich doch lieber mit deinem Kinde Zurückbleiben als allein. Ich dachte, sollte ich daran sterben - so wäre es doch besser so, als daß du keinen echten Sohn besäßest, der nach dir den Hochsitz einnehmen könnte, wenn du von dieser Erde fortgehen müßtest.“ ErIend antwortete heftig:
„Da wollte mich dünken, daß dieser Sohn allzu teuer erkauft wäre, sollte er dich das Leben kosten. Rede nicht so, Kristin.
So nahe steht mir Husaby nicht“, sagte er ein wenig später. „Besonders seitdem ich weiß, daß Orm nie Husaby von mir erben kann.“
„Liegt dir mehr an ihrem Sohn als an meinem?“ fragte sie.
„An deinem Sohn?“ Erlend lachte leise. „Von ihm weiß ich ja noch nicht mehr, als daß er ungefähr ein halbes Jahr früher kommt, als gut ist. Orm habe ich seit zwölf Jahren lieb.“
Eine Weile später fragte Kristin:
„Sehnst du dich manchmal nach diesen deinen Kindern?“
„Ja“, erwiderte der Mann. „Früher reiste ich oft nach dem Östertal, wo sie leben, und sah mich nach ihnen um.“
„Du könntest jetzt in der Adventszeit dorthin reisen“, meinte Kristin leise.
„Würdest du denn nicht unzufrieden darüber sein?“ fragte Erlend froh.
Kristin hatte geantwortet, sie würde das begreiflich finden. Da hatte er gefragt, ob sie etwas dagegen hätte, wenn er die Kinder zum Weihnachtsfest mit heimnähme. „Einmal mußt du sie ja doch sehen.“ Und wiederum hatte sie geantwortet, daß ihr auch dieses begreiflich scheinen würde.
Während Erlends Abwesenheit war Kristin fleißig und bereitete alles für Weihnachten vor. Es quälte sie sehr, jetzt unter allen diesen fremden Männern und Frauen umherzugehen; sie mußte sich hart zusammennehmen, wenn sie sich im Beisein der beiden Mägde, die auf Erlends Geheiß bei ihr in der Halle schliefen, aus- und anziehen sollte. Sie mußte sich immer erst selber daran gemahnen, daß sie es niemals über sich gebracht hätte, allein in dem großen Hause zu liegen - wo vor ihr eine andere bei Erlend geschlafen hatte.
Die Mägde des Hofes waren nicht besser, als man erwarten' konnte. Bauern, die auf ihre Töchter hielten, hatten diese nicht in Dienst geben wollen auf einen Hof, wo der Herr ganz offensichtlich mit einer Ehebrecherin zusammen lebte und eine solche im Haus walten ließ.
Die Mägde waren faul und nicht gewohnt, einer Hausfrau zu gehorchen. Einigen von ihnen jedoch gefiel es bald, daß Kristin das Haus in Ordnung brachte und ihnen selbst bei der Arbeit voranging. Sie wurden redselig und froh, wenn Kristin ihnen zuhörte und ihnen freundlich und munter antwortete. Und Kristin zeigte dem Gesinde jeden Tag ein sanftes und ruhiges
Gesicht. Sie wies niemand zurecht, wenn aber eine der Mägde ihrem Befehl widersprach, so tat die Hausfrau so, als glaube sie, die andere könne die Arbeit nicht ausführen, und zeigte ihr ruhig und freundlich, wie sie getan werden sollte. Auf diese Weise hatte es Kristin ihren Vater mit den neuen Dienstknechten machen sehen, wenn sie störrisch waren - und kein Mann hatte es ein zweites Mal gewagt, Lavrans auf Jörundhof zu widersprechen.
So würde es den Winter hindurch wohl gehen. Später wollte sie dann versuchen, jene Mägde wegzuschicken, die sie nicht mochte oder denen sie keine Sitten beibringen konnte.
Eine Arbeit gab es, die Kristin nicht zur Hand zu nehmen wagte, außer wenn sie sich vor fremden Augen sicher wußte. Doch
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