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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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übrigen Bewohner des Hofes zur Nachtmesse nach der Kirche in Birgsi ritten.
    Sie stand unter der Tür des Wohnhauses und sah ihnen nach. Die Kienfackeln der Männer beleuchteten die alten dunklen Häuser mit rotem Schein und spiegelten sich in dem nassen Glatteis des Hofplatzes. Der Wind fuhr in die Flammen und drückte sie flach zur Seite. Kristin blieb stehen, solange sie das Dröhnen der Pferdehufe in der Nacht hörte.
    Drinnen in der Halle brannten Kerzen auf dem Tisch. Die Reste der Abendmahlzeit standen da: Schüsseln, in denen noch Grütze war, Fischgräten und halbverzehrte Brotlaibe schwammen in verschüttetem Bier. Die Mägde, die daheim bleiben mußten, hatten sich bereits auf dem Bodenstroh schlafen gelegt. Kristin war mit ihnen und einem alten Mann namens Aan allein auf dem Hof. Aan hatte schon Erlends Großvater auf Husaby gedient; jetzt wohnte er in einer kleinen Hütte unten am See, kam aber gern tagsüber zum Hof herauf, bastelte allerlei und meinte, daß er viel arbeite. Heute abend war er am Tisch eingeschlafen, und Erlend und Ulv hatten ihn lachend in einen Winkel getragen und eine Decke über ihn gebreitet.
    Daheim auf Jörundhof war jetzt der Boden dick mit Schilf belegt, denn sämtliche Bewohner des Hauses sollten in den heiligen Nächten miteinander in der Stube schlafen. Bevor sie zur Kirche fuhren, pflegten sie die Reste der Fastenmahlzeit wegzuräumen, die Mutter und die Mägde deckten den Tisch, so schön sie nur konnten, mit Butter und verschiedenem Käse, mit Stapeln von dünnem hellem Brot, mit glänzendem Speck und dem schönsten luftgedörrten Schaffleisch. Silberkannen und Methörner standen schimmernd da. Und der Vater selbst hatte die Biertonne auf die Bank gelegt.
    Kristin drehte ihren Stuhl der Feuerstätte zu - sie mochte den häßlichen Tisch nicht ansehen. Eines der Mädchen schnarchte so laut, daß es entsetzlich anzuhören war.
    Das war nun auch eines von den Dingen, die sie an Erlend nicht liebte: daheim bei sich aß er so häßlich und nachlässig, stocherte in den Schüsseln nach guten Bissen herum, wollte sich kaum die Hände waschen, ehe er zu Tisch ging, und dann durften die Hunde auf seinen Schoß springen und ihr Fressen mit vom Tisch läppern, während die Leute aßen. Da war es ja nicht anders zu erwarten, als daß auch das Gesinde bei Tisch keine Sitten hatte.
    Daheim war sie angehalten worden, schön zu essen - und langsam. Denn es ziemt sich nicht, sagte die Mutter, daß die Herrschaft warten muß, bis das Gesinde gegessen hat - und wer hart arbeitet, muß Zeit haben, sich richtig satt zu essen.
    „Gunna“, rief Kristin leise der großen gelben Hündin zu, die mit einem ganzen Knäuel von Jungen bei der Herdstätte lag. Sie war so bösartig, darum hatte Erlend sie nach der alten Hausfrau auf Raasvold genannt.
    „Armes Tier, du“, flüsterte Kristin und streichelte die Hündin, die herbeigekommen war und ihren Kopf auf Kristins Knie gelegt hatte. Der Rücken der Hündin war schmal wie ein Messerrücken, und die Zitzen streiften fast den Boden. Die Jungen fraßen die Mutter beinahe auf. „Ja, armes Tier, du, ia! “
    Kristin lehnte den Kopf an die Stuhllehne zurück und sah in das rußige Gebälk hinauf. Sie war müde.
    Ach nein, leicht hatte sie es nicht gehabt in diesen Monaten hier auf Husaby. Am Abend jenes Tages, als sie von Medalby heimgekommen waren, hatte sie ein wenig mit Erlend gesprochen. Da begriff sie, daß er in dem Glauben gewesen war, sie zürne ihm deshalb, weil er dies über sie gebracht hatte.
    „Ich weiß noch“, sagte er leise, „jenen Tag im Frühling, wir gingen durch den Wald nördlich der Kirche. Ich weiß noch, du batest mich, dich sein zu lassen."
    Kristin war froh gewesen, weil er dies gesagt hatte. Sie wunderte sich manchmal, wie vieles ErIend sonst vergessen zu haben schien.
    Dann aber sagte er:
    „Trotzdem aber hätte ich das nicht von dir geglaubt, Kristin, daß du so herumgehen und einen heimlichen Groll gegen mich tragen und dich dabei sanftmütig und froh zeigen könntest. Denn du mußt schon seit langem gewußt haben, wie es um dich steht. Ich hatte von dir geglaubt, du seiest so klar und ehrlich wie der Strahl der Sonne.“
    „Ach, ErIend“, sagte sie bekümmert. „Du weißt wohl am besten von allen in der Welt, daß ich verbotene Wege gegangen und falsch gewesen bin gegen jene, die mein Bestes wollten.“ Aber sie wollte so gern, daß er begriff. „Nun weiß ich nicht, ob du dich erinnerst, mein Freund, daß du

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