Kristin Lavranstochter 1
am Morgen, sobald sie allein war, nähte sie an der Wäsche für ihr Kind: Windeln aus weichem Fries, Tücher von rotem und grünem Stoff aus der Stadt und weißes Leinen zum Taufkleid. Während sie mit dieser Arbeit beschäftigt dasaß, schwankte ihr Gemüt zwischen Angst und Vertrauen gegenüber den heiligen Freunden der Menschen, deren Fürbitte sie erfleht hatte. Nun wußte sie ja, das Kind lebte und rührte sich in ihr, so daß sie weder bei Tag noch bei Nacht Ruhe fand. Aber sie hatte von Kindern gehört, die mit einem Balg zur Welt gekommen waren an Stelle des Gesichtes, den Kopf in den Nacken gedreht, die Zehen dort, wo die Fersen sein sollten. Und sie sah Svein vor sich, dessen halbes Gesicht blaurot war, weil seine Mutter sich an einem Brand versehen hatte.
■ Dann warf sie die Arbeit weg, ging hin und verneigte sich vor dem Bild der Jungfrau Maria, betete sieben Ave. Bruder Edvin hatte gesagt, die Mutter Gottes empfände allemal eine gleich große Freude beim Englischen Gruß, auch wenn er aus dem Munde des erbärmlichsten Sünders käme. Und am meisten erfreue sich das Herz Marias bei den Worten Dominus tecum *; die solle Kristin immer dreimal wiederholen.
Dies Gebet half ihr stets für eine Weile. Sie kannte ja schließlich auch viele Leute, Männer wie Frauen, die Gott und seine Mutter nur wenig ehrten und die Gebote nur schlecht erfüllten - ohne daß sie darum mißgestalte Kinder bekommen hatten. Oft war Gott barmherzig und suchte die Sünden der Eltern nicht an den armen Kindern heim, wenn er auch ab und zu einmal den Menschen ein Zeichen dafür schicken mußte, daß
* (lat.) Der Herr sei mit dir.
er ihre Bosheit nicht unablässig ertrage. Aber das würde doch nicht gerade ihrem Kinde widerfahren.
Dann rief sie in ihrem Herzen Sankt Olav an. Über ihn hatte sie so viel gehört, daß es ihr schien, sie müsse ihn, während er im Lande lebte, gekannt und ihn hier auf Erden gesehen haben. Er war nicht groß, sondern eher rundlich, aber aufrecht und schön, mit der Goldkrone und der schimmernden Glorie um das goldene gelockte Haar - ein roter gekräuselter Bart rahmte das feste, verwitterte und derbe Gesicht ein. Und seine tiefen flammenden Augen sahen quer durch alle Menschen hindurch; in diese wagte keiner hineinzublicken, der etwas Böses getan hatte. Auch sie wagte es nicht, sie sah zu Boden vor seinem Blick, doch sie fürchtete sich nicht; es war mehr wie damals, als sie klein war und die Augen vor ihrem Vater niederschlagen mußte, wenn sie etwas Schlimmes getan hatte. Sankt Olav sah sie an, streng, aber nicht hart - sie hatte ja versprochen, ihren Lebenswandel zu bessern. Sie sehnte sich so tief danach, nach Nidaros zu kommen und in seinem Heiligtum niederzuknien. Als sie hierherauf reisten, hatte Erlend ihr versprochen, sehr bald mit ihr dorthin zu reiten. Aber die Reise wurde aufgeschoben. Und jetzt begriff Kristin, daß er nur ungern mit ihr reisen würde; er schämte sich und fürchtete das Gerede der Leute.
Eines Abends, während sie mit ihrem Gesinde am Tisch saß, sagte eine der Dirnen, ein junges Mädchen, das im Haus mithalf:
„Ich meine, Frau, es wäre wohl besser, wir fingen jetzt an, Windeln und Kinderkleider zu nähen, ehe wir dieses Gewebe aufsetzen, von dem Ihr spracht.“
Kristin tat, als habe sie nicht gehört, und sprach wieder über das Färben.
Da fing das Mädchen wiederum an:
„Aber vielleicht habt Ihr die Kinderwäsche schon von daheim mitgebracht?“
Kristin lächelte ein wenig und wandte sich wieder den anderen zu. Als sie nach einer Weile flüchtig zu der Magd hinüberblickte, saß diese mit feuerrotem Gesicht da und spähte ängstlich zur Hausmutter hin. Kristin lächelte wieder und sprach mit Ulv über den Tisch hin. Da fing die Junge plötzlich zu heulen an. Kristin lachte ein wenig, und das Mädchen weinte lauter und lauter, bis sie schluchzen und schnupfen mußte.
„Nein, hör nun auf damit, Frida“, sagte Kristin schließlich ruhig. „Du hast dich als erwachsene Dienstmagd hierherverdungen; jetzt mußt du dich nicht aufführen, als seiest du ein kleines Mädchen.“
Die Magd seufzte - sie habe nicht frech sein wollen und Kristin solle es ihr nicht nachtragen.
„Nein“, sagte Kristin lächelnd wie zuvor. „Iß jetzt und wein nicht mehr. Wir haben nicht mehr Verstand, als Gott uns vergönnt hat, auch wir anderen nicht.“
Frida sprang auf und lief hinaus, laut schluchzend.
Später, als Ulv Haldorssohn bei Kristin stand und mit ihr über die
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