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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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seit man dich für ein erwachsenes Weib ansehen muß.“
    „Ja, wahrlich, du hast ein Recht, mich um deswillen zu verhöhnen.“
    Erlend stöhnte laut.
    „Du weißt selbst, daß ich es nicht so meinte. Aber du hast auf Jörundhof gelebt und hast immer Lavrans gehört - so wacker und männlich er ist, so redet er doch oft, als wäre er ein Mönch und nicht ein erwachsener Mann.“
    „Hast du je von einem Mönch gehört, der sechs Kinder hatte?“ fragte sie gekränkt.
    „Ich habe von Skurda-Grim gehört, daß er sieben hatte“, sagte Erlend verzweifelt. „Der vorige Abt in Holm ... Nein, Kristin, Kristin, weine doch nicht so. Um Gottes willen, hast du denn den Verstand verloren?“
    Munan war am nächsten Morgen sehr zahm. „Ich konnte doch nicht denken, daß du dir mein Biergeschwätz so zu Herzen nehmen würdest, kleine Kristin“, sagte er ernsthaft und strich ihr über die Wange. „Sonst hätte ich meinen Mund schon besser gehütet.“ Er sprach mit Erlend darüber, daß es doch seltsam für Kristin sein müsse, den Jungen hier herumgehen zu sehen -es wäre am besten, Orm für die nächste Zeit fortzuschaffen, er erbot sich, ihn eine Weile zu sich zu nehmen. Erlend war dies recht, und Orm wollte gern mit Munan gehen. Aber Kristin entbehrte das Kind sehr - sie hatte ihren Stiefsohn liebgewonnen.
    Jetzt war sie an den Abenden wieder allein mit Erlend, und an ihm hatte sie nicht viel Gesellschaft. Er saß an der Feuerstätte, sprach dann und wann ein Wort, nahm einen Schluck zu sich und spielte ein wenig mit seinen Hunden. Dann ging er zur Wand hin und streckte sich auf der Bank aus - und dann legte er sich zu Bett, fragte ein paarmal, ob sie sich nicht bald zur Ruhe legen wolle, und schlief ein.
    Kristin saß da und nähte. Sie atmete hörbar, kurz und schwer. Aber jetzt war es nicht mehr lange hin. Sie konnte sich kaum mehr daran erinnern, wie es war, leicht und geschmeidig um die Mitte zu sein - den Schuh ohne Mühe und Anstrengung binden zu können.
    Jetzt versuchte sie, wenn Erlend schlief, auch nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten. In der Stube war kein Laut, außer von dem zusammensinkenden Feuer auf der Herdstätte und von den Hunden, die sich ab und zu bewegten. Bisweilen wunderte sie sich - worüber hatten sie doch früher gesprochen, Erlend und sie? Sie hatten wohl nicht viel gesprochen - hatten anderes zu tun gehabt in den kurzen und gestohlenen Augenblicken, in denen sie sich trafen.
    Um diese Zeit des Jahres pflegten die Mutter und die dienenden Frauen an den Abenden in der Webstube zu sitzen. Dann kamen auch der Vater und die Männer dazu und setzten sich mit ihrer Arbeit hin: sie besserten Lederzeug und Gerätschaften aus und schnitzten Holzgegenstände. Die kleine Stube war ganz voll von Menschen, das Gespräch rann still und gemächlich zwischen ihnen dahin. War einer aufgestanden und hatte aus dem Biergefäß getrunken, so fragte er stets, ehe er die Kelle wieder weghängte, ob es einen anderen zu trinken gelüste
    - dies war ein fester Brauch.
    Dann berichtete der eine oder der andere unter ihnen ein Stück aus einer Sage - von den Kiesen der Vorwelt, die mit Geistern und Riesinnen gekämpft hatten. Oder der Vater erzählte, während er Holz schnitzte, Rittersagen, wie er sie in der Halle des Herzogs Haakon hatte berichten hören, als er in jungen Jahren dort Page gewesen war. Seltsam schöne Namen hörte man: König Osantrix, Ritter Titurel; Sisibe, Guniver, Gloriana und Isodd hießen die Königinnen. An anderen Abenden aber erzählten sie Lügengeschichten und scherzhafte Märchen, bis die Männer laut lachten und die Mutter und die Mägde kichernd die Köpfe schüttelten.
    Ulvhild und Astrid sangen. Die Mutter hatte die allerschönste Stimme, sie aber mußte man inständig bitten, ehe man sie dazu brachte, zu singen. Der Vater machte sich nicht so kostbar - und er konnte so schön auf seiner Harfe spielen.
    Dann legte Ulvhild Rocken und Spindel weg und griff sich an die Hüften.
    „Bist du jetzt müde im Rücken, kleine Ulvhild?“ fragte der Vater und nahm sie auf seinen Schoß. Irgend jemand brachte das Brettspiel, und der Vater und Ulvhild schoben die Figuren hin und her, bis es Schlafenszeit war. Kristin erinnerte sich, wie die goldenen Locken der kleinen Schwester über den braungrünen Friesärmel des Vater hinflossen. Er hielt den schwachen kleinen Rücken so zärtlich umfaßt.
    Vaters große schlanke Hände mit einem schweren Goldring an jedem kleinen Finger. Diese Ringe

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