Kristin Lavranstochter 1
sie versuchte, diese aus ihrem Mund in den des Kindes zu spritzen, aber der Kleine beschwerte sich laut über diese neue Art der Speisung, und der Alte lachte und schüttelte den Kopf. Sie solle die Milch selbst trinken, dann käme sie dem Knaben wohl auch zugute.
Endlich ging er. Kristin kroch in eine der Bettstellen zuoberst unter dem Firstbalken. Von dort aus konnte sie eine Luke erreichen. In der Herberge herrschte ein fürchterlicher Geruch -es lag eine Frau da, die Leibschmerzen hatte. Kristin öffnete die Luke: die helle und kühle Sommernacht, die regenfeuchte Luft strömten über sie herein. Sie saß in dem kurzen Bett, den Nacken an die Wandbalken gestützt - es waren so wenig Kissen in dem Bett. Der Knabe schlief auf ihrem Schoß. Sie hatte die Luke nach einer Weile wieder schließen wollen, war aber vorher schon eingeschlafen.
Mitten in der Nacht erwachte sie. Der Mond schien herein, sommerlich, honiggelb und bleich, er schien auf das Kind und sie, beleuchtete die Wand mitten vor ihr. Da gewahrte sie, daß ein Mensch mitten in dem Mondenstrom stand, schwebend zwischen Boden und Dachgebälk.
Er war in eine aschgraue Kutte gekleidet, groß und mit gebeugtem Rücken. Jetzt wandte er ihr das uralte gefurchte Antlitz zu. Es war Bruder Edvin. Er lächelte so unsagbar zärtlich -ein wenig verschmitzt, genauso wie damals, als er noch auf Erden lebte. - Kristin geriet keineswegs in Erstaunen. Demütig, glücklich, voller Erwartung sah sie ihn an und wartete darauf, was er sagen oder tun würde.
Der Mönch lächelte ihr zu, er hielt einen alten, schweren Pelzfäustling zu ihr empor, dann hängte er ihn an einem Mondstrahl auf. Darauf lächelte er noch mehr, nickte ihr zu und war verschwunden.
Husbaby
1
Gleich nach Neujahr bekamen sie eines Tages unerwartete Gäste auf Husaby. Es waren Lavrans Björgulvssohn und der alte Smid Gudleikssohn von Dovre, sie befanden sich in Begleitung von zwei Herren, die Kristin nicht kannte. Erlend aber war sehr erstaunt, seinen Schwiegervater in dieser Gesellschaft zu sehen: es waren Herr Erling Vidkunssohn zu Giske und Bjarköy und Haftor Graut in Godöy. Er wußte nicht, daß Lavrans diese beiden kannte. Herr Erling erklärte, sie seien auf Neset zusammengetroffen, er habe mit Lavrans und Smid im Sechsmännergericht zusammengesessen, das nun endlich den Erbstreit zwischen den Erben des Herrn Jon Haukssohn entschieden habe. Dann seien er und Lavrans ins Gespräch über Erlend gekommen, und Erling, der in Nidaros etwas zu tun hatte, habe Lust bekommen, die Leute auf Husaby zu begrüßen, wenn Lavrans ihn begleiten und mit ihm nach Norden segeln wollte. Smid Gudleikssohn sagte lächelnd, er habe sich beinahe selbst mit auf die Fahrt eingeladen.
„Ich wollte doch unsere Kristin Wiedersehen - die schönste Rose im Nordtal. Und dann dachte ich, meine Verwandte Ragnfrid würde mir Dank dafür wissen, wenn ich ihren Gemahl ein wenig im Auge behielte und sähe, was für große Dinge er mit so klugen und mächtigen Männern aushecke. Ja, dein Vater hat in diesem Winter anderes zu tun, meine Kristin, als nur mit uns von Hof zu Hof zu fahren und Weihnachten zu feiern, bis die Fastenzeit beginnt. Nun haben wir alle diese Jahre in guter Ruhe und Gemächlichkeit daheim auf unseren Höfen gesessen, und jeder hat sich um das Seine gekümmert. Jetzt aber will Lavrans uns königsgetreue Männer aus den Tälern dazu bringen, mitten im härtesten Winter zusammen nach Oslo zu reiten; jetzt sollen wir den großen Herren im Rate Ratschläge geben und uns um des Königs Angelegenheiten kümmern - sie führen die Sache des armen unmündigen Kindes so schlecht, sagt Lavrans.“
Herr Erling sah ein wenig verlegen aus. Erlend zog die Augenbrauen hoch.
„Habt Ihr teil an diesen Beratungen, Schwiegervater - wegen der großen Hofversammlung?“
„Nein, nein“, erwiderte Lavrans, „ich reite zur Versammlung, ebenso wie die anderen Königsmänner im Tal, da wir dort hinberufen wurden.“
Aber Smid Gudleikssohn fing wieder an. Es sei doch Lavrans, der ihn überredet habe - und ebenso den Herstein auf Kruke und Trond Gjesling und Guttorm Sneis und andere, die nicht hatten fahren wollen.
„Nun, pflegt ihr auf diesem Hof hier die Gäste nicht ins Haus zu bitten?“ fragte Lavrans. „Jetzt wollen wir darüber urteilen, ob Kristin ebenso gutes Bier braut wie ihre Mutter.“ Erlend sah nachdenklich aus, und Kristin wunderte sich sehr.
„Was gibt es, Vater?“ fragte sie ein wenig später, als er mit
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