Kristin Lavranstochter 1
krank war -wenn sie bemerkte, wie nahe es ihm ging, daß er sich selbst und sie ins Gerede der Leute gebracht hatte. Seine kleinen, scheuen und zärtlichen Worte hatte sie ihm in den Mund zurückgeschlagen, und wenn sie selbst ihn dazu getrieben hatte, heftige und unbedachte Dinge zu sagen, so holte sie die immer wieder hervor und machte ihm einen Vorwurf daraus. Jesus! Was für ein böses Weib war sie. Sie war eine schlechte Gattin gewesen.
Verstehst du jetzt, Kristin, wie sehr du der Hilfe bedarfst?
Ja, Herre König, jetzt verstehe ich es. Ich bedarf deiner Stütze bitterlich, damit ich mich nicht wieder von Gott abwende. Sei mit mir, du, sein Fürst und König unter den Menschen, wenn ich mit meinen Bitten vortrete, bitte um Gnade für mich, heiliger Olav, bitte für mich!
Cor mundum crea in me, Deus, et Spiritum rectum innova in visceribus meis. Ne projicias me a facie tua ... Libera me de sanguinibus, Deus, Deus salutis meae*
Der Gottesdienst war zu Ende, die Menschen verließen die Kirche. Die beiden Bäuerinnen, die neben Kristin gekniet hat-
* (lat.) Erschaffe, Gott, ein reines Herz in mir; den rechten Geist erneuere in meinem Innern. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht. Erlöse mich von aller Schuld, o Gott, mein Heil.
ten, standen auf. Aber der Knabe zwischen ihnen, er stand nicht auf; er begann sich auf dem Boden fortzubewegen, indem er die Fingerknöchel gegen die Fliesen stemmte und wie eine unflügge junge Krähe weiterhüpfte. Er hatte winzig kleine Beine, die zusammengekrümmt unter seinem Rumpf lagen. Die Frauen gingen so, daß sie ihn so gut wie möglich mit ihren Kleidern verdeckten.
Als sie außer Sicht waren, warf Kristin sich nieder und küßte den Boden dort, wo die anderen an ihr vorbeigegangen waren.
Ein wenig verwirrt und ratlos stand sie am Eingang zum Chor, als ein junger Priester durch die Gittertüre heraustrat. Er blieb vor der verweinten jungen Frau stehen, und Kristin vertraute ihm ihr Anliegen an, so gut sie konnte. Zuerst verstand er nicht. Sie suchte den goldenen Kranz hervor und reichte ihn hin.
„Ah, seid Ihr Kristin Lavranstochter, Erlends Frau auf Husaby?“ Er sah sie ein wenig erstaunt an; ihr Gesicht war vom Weinen ganz verschwollen. „Jaja, Euer Schwager, Meister Gunnulv, sprach davon, ja ...“
Er führte sie in die Sakristei hinaus, nahm ihr den Kranz ab, wickelte ihn aus dem Linnen und betrachtete ihn, dann lächelte er leise.
„Ja - Ihr werdet wohl begreifen, bei solchen Dingen müssen Zeugen dabeisein; Ihr könnt eine solche Kostbarkeit nicht einfach so weggeben wie ein Butterbrot. Aber ich kann es einstweilen in Verwahrung nehmen, Ihr werdet es wohl nicht gern in der Stadt mit Euch herumtragen. Ach, bitte doch Herrn Arne, er möge sich hierherbemühen“, wandte er sich an einen Kirchendiener. „Euer Gemahl müßte ja eigentlich auch hiersein, glaube ich, wenn alles ganz richtig sein sollte. Aber vielleicht hat Gunnulv einen Brief von ihm.
Ihr sollt vor den Erzbischof selbst geführt werden, war es nicht so? Oder vor Hauk Tomassohn, den Pönitentiarius * - ich weiß nicht, ob Gunnulv mit Herrn Eiliv gesprochen hat. Aber Ihr müßt morgen zum Frühgesang hierherkommen, dann könnt Ihr nach den Laudes nach mir fragen, ich heiße Paal Aslakssohn. Den da“, er deutete auf das Kind, „müßt Ihr in der Herberge zurücklassen. Ihr werdet bei den Schwestern in Bakke schlafen, ich glaube mich zu erinnern, daß Euer Schwager dies so angab.“
Ein anderer Priester kam herein, und die beiden redeten ein
* Priester, der bei Verhinderung des Bischofs das Bußamt verwaltet.
wenig miteinander. Der erste schloß einen kleinen Schrein in der Wand auf, nahm eine Schalenwaage und wog den Kranz, während der andere etwas in ein Buch schrieb. Dann legten sie den Kranz in den Wandschrein und schlossen ab.
Herr Paal wollte sie hinauslassen - fragte aber noch, ob er ihren Sohn zu Sankt Olavs Schrein hinaufheben solle.
Er nahm den Knaben mit dem sicheren, ein wenig gleichgültigen Griff des Priesters, der gewohnt ist, Taufkinder anzufassen. Kristin folgte mit in die Kirche, da fragte er, ob nicht auch sie den Schrein küssen wolle.
Ich wage es nicht, dachte Kristin, aber sie folgte dem Priester die Treppe hinauf zu der Erhöhung, auf der der Schrein stand. Vor ihren Augen strahlte gleichsam ein großes kreideweißes Licht, als sich ihre Lippen der goldenen Truhe näherten.
Der Priester sah sie ein wenig an - besorgt, sie könne ohnmächtig werden. Aber sie hielt
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