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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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darüber empfunden, daß sie die gute und würdige Frau Groa betrog, sie hatte die freundliche Fürsorge der frommen Schwestern entgegengenommen und war nicht vor Scham vergangen, als die Nonnen dem Vater ihre Bescheidenheit und ihr sittsames Betragen rühmten.
    O Vater. Am schlimmsten war der Gedanke an ihn. - Der Vater, der ihr nicht ein einziges unsanftes Wort gesagt hatte, als er sie in diesem Frühjahr besuchte ...
    Simon hatte es verschwiegen, daß er seine Verlobte mit einem Mann in einer Herberge für fahrende Kriegsleute ertappt hatte. Und sie hatte ihn die Schuld für ihren Wortbruch auf sich nehmen lassen, hatte ihn vor ihrem Vater ihre Schuld tragen lassen ...
    Ach, aber der Vater, das war das schlimmste. Nein, die Mutter, das war noch schlimmer. Sollte ihr Naakkve aufwachsen, um dereinst seiner Mutter so wenig Liebe zu erweisen, wie sie ihrer eigenen Mutter gezeigt hatte - oh, das könnte sie nicht ertragen. Die Mutter, die sie geboren und an ihrer Brust genährt und über ihr gewacht hatte, wenn sie krank war, die Mutter, die sie gewaschen und ihr das Haar gekämmt und sich darüber gefreut hatte, daß es schön war. Und in der ersten Stunde, da es Kristin dünkte, sie könnte die Hilfe und den Trost ihrer Mutter brauchen, da hatte sie erwartet, daß die Mutter trotz aller Verachtung zu ihr kommen würde. Du darfst glauben, deine Mutter wäre hierhergekommen, um bei dir zu sein, wenn sie gewußt hätte, daß es dir ein Trost wäre, so hatte der Vater gesagt -o Mutter, Mutter, Mutter!
    Sie dachte an das Wasser aus dem Brunnen daheim. Es sah rein und klar aus, wenn es in den Holznäpfen stand. Doch der Vater besaß einen Glasbecher, und wenn er diesen mit Wasser füllte und die Sonne schien hindurch, so war es trübe und voller Unreinheit.
    Ja, Herre König, jetzt sehe ich, wie ich bin!
    Güte und Liebe hatte sie von allen Menschen entgegengenommen, als wäre dies ihr Recht. Sie sah kein Ende ab von all der Güte und Liebe, die sie ihr Leben lang empfangen hatte. Aber das erste Mal, da ein Mensch wider sie aufgestanden war, da hatte sie sich erhoben wie eine Kreuzotter, die sich aufrichtet und sticht. Hart und scharf wie ein Messer war ihr Wille gewesen, als sie Eline Ormstochter in den Tod trieb.
    Ebenso wie sie sich gegen Gott selbst erhoben hätte, wenn er seine gerechte Hand auf ihren Nacken gelegt haben würde. Oh, wie hatten Vater und Mutter es ertragen können: drei kleine Kinder hatten sie verloren, Ulvhild hatten sie in den Tod sinken sehen, nachdem sie die langen, kummervollen Jahre danach gestrebt hatten, dem Kind Gesundheit zu verschaffen. Aber die beiden hatten alle Prüfungen mit Geduld ertragen, nie daran gezweifelt, daß Gott das Beste für ihr Kind wollte. Und dann brachte sie all diese Sorge und Schande über die Eltern. - Aber wäre ihrem Kinde etwas widerfahren - hätte man ihr das Kind genommen, so wie man es jetzt Sigrid Andrestochter nahm... Oh, führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel.
    Bis dicht an den Rand des Höllenschlundes war sie gewandert. Hätte sie den Knaben verloren, dann würde sie sich in den rauchenden Abgrund geworfen haben, würde sich mit Hohn der Hoffnung, mit den guten und liebevollen Menschen, die sie liebten, emporgehoben zu werden, verschlossen haben - hätte sich selbst dem Teufel ausgeliefert. - Da war es wohl kein Wunder, daß Naakkve ein Zeichen wie von einer blutigen Hand auf seiner Brust trug.
    O heiliger Olav, der du mich erhörtest, da ich deine Hilfe für mein Kind erbat. Ich bat darum, du möchtest die Strafe mich treffen lassen und das unschuldige Kind verschonen. Ja, Herr, ich weiß, wie ich meinen Teil unseres Paktes erfüllte.
    Wie ein wildes, heidnisches Tier hatte sie sich unter der ersten Züchtigung aufgebäumt. Erlend. Nicht ein einziges Mal hatte sie geglaubt, daß er sie nicht mehr liebe. Denn hätte sie das geglaubt, so hätte sie auch nicht mehr zu leben vermocht. O nein, sie hatte gedacht, heimlich bei sich selbst, wenn sie wieder schön und gesund und munter wäre - dann sollte es so werden, daß er um sie bitten sollte. Nicht etwa, als wäre er im vergangenen Winter lieblos gegen sie gewesen. Aber sie, die von Kindheit an gehört hatte, daß der Teufel sich stets in der Nähe einer schwangeren Frau halte, um sie in Versuchung zu führen, solange sie schwach ist - sie hatte den Lügen des Satans ein williges Ohr geliehen. Sie hatte getan, als glaube sie, Erlend mache sich nichts aus ihr, weil sie häßlich und

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