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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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finden vermag.“
    „Gott wird dich finden“, erwiderte der Priester leise. „Sei ruhig und fliehe nicht vor ihm, der dich gesucht hat, noch ehe du im Mutterleibe geworden warst.“
    Er saß eine Weile an ihrem Bett. Dann fragte er still und ruhig, ob er Ingrid wecken und die Frauen bitten solle, ihr aus den Kleidern zu helfen.
    Kristin schüttelte den Kopf.
    Da machte er dreimal das Zeichen des Kreuzes über ihr. Dann wünschte er Orm gute Nacht und ging in den kleinen Raum neben der Stube, wo er schlief.
    Orm und Kristin legten ihre Kleider ab. Der Knabe schien abgrundtief in Gedanken versunken. Als Kristin sich hingelegt hatte, kam er zu ihr. Er betrachtete ihr vom Weinen verstörtes Gesicht und fragte, ob sie wolle, daß er bei ihr sitze, bis sie eingeschlafen sei.
    „O nein - o nein, Orm, du wirst wohl müde sein, so jung wie du bist. Es muß schon spät in der Nacht sein.“
    Orm blieb noch eine Weile stehen.
    „Dünkt es dich nicht seltsam“, sagte er plötzlich. „Vater und Oheim Gunnulv - so ungleich sie einander sind, so haben sie doch in einer Weise viel Ähnlichkeit.“
    Kristin lag da und dachte nach.
    „Ja, vielleicht - sie sind anders als andere Männer.“
    Bald darauf war sie eingeschlafen, und Orm ging zu dem anderen Bett hinüber. Er zog sich aus und kroch unter die Decke. Er hatte ein Leinenlaken unter sich, und die Kissen waren mit Linnen überzogen. Wohlig streckte der Knabe sich auf dem glatten kühlen Lager aus. Sein Herz klopfte vor Spannung jenem neuen Abenteuer entgegen, zu dem ihm die Worte des Oheims den Weg gewiesen hatten. Gebete, Fasten, alles, was er geübt hatte, weil er dazu angehalten worden war, wurde plötzlich etwas Neues: Waffen in einem herrlichen Krieg, nach dem er sich sehnte. Vielleicht würde er Mönch werden - oder Priester, wenn er Dispens dafür erhalten könnte, daß er im Ehebruch gezeugt worden war.
    Gunnulvs Lager bestand aus einer Holzbank mit einer Felldecke über einer dünnen Schicht Stroh und einem einzigen kleinen Kopfkissen, so daß er flach ausgestreckt liegen mußte. Der Priester nahm sein Gewand ab, legte sich in den Unterkleidern hin und zog die dünne Friesdecke über sich. Den kleinen Docht, der um einen eisernen Dorn gewickelt war, ließ er brennen.
    Gunnulv war nach seinen eigenen Worten von Angst und Unruhe niedergedrückt.
    Er fühlte sich ohnmächtig vor Sehnsucht nach jener Zeit -sollte er denn nie wieder jene Hochzeitsfreude des Herzens empfinden, die ihn in jenem Frühling in Rom so ganz erfüllt hatte? Zusammen mit seinen drei Brüdern erging er sich in der Sonne auf den blumenbesternten grünen Wiesen. Er zitterte und wurde schwach, wenn er sah, wie schön die Welt war - und dabei wußte er, daß all dieses nichts bedeutete gegen die Reichtümer des jenseitigen Lebens. Trotzdem grüßte ihn diese Welt hier mit tausend kleinen, frohen und süßen Erinnerungen an den Bräutigam. Die Lilien auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel erinnerten an Christi Wort, und von solchen Eseln, wie man sie hier sah, und von solchen Brunnen, wie die aus Stein gemauerten Zisternen, an denen sie vorübergingen, hatte er gesprochen. Bei den Mönchen der Kirchen, die sie aufsuchten, erhielten sie zu essen, und wenn sie den blutroten Wein tranken und die goldene Rinde von dem Weizenbrot brachen, dann verstanden die vier Prediger aus dem Gerstenlande, warum Christus, vor aller anderen Nahrung, die Gott den Menschen gegeben hatte, den reinen Wein und den reinen Weizen geehrt hatte, indem er sich beim Messeopfer in diesem Gleichnis zeigen wollte.
    In jenem Frühling hatte Gunnulv weder Unruhe noch Furcht gekannt. So losgelöst von allen Versuchungen dieser Welt hatte er sich gefühlt, daß ihm alles, worüber er früher angstvoll gegrübelt, jetzt, da er den lauen Sonnenschein auf sich ruhen fühlte, so leicht begreiflich erschien. Wie doch dieser sein Körper durch das Feuer zum Leib der Verklärung gereinigt werden konnte. Leicht und losgelöst von den Bedürfnissen der Erde, brauchte er nicht mehr Schlaf als der Kuckuck in den Frühlingsnächten. Das Herz sang in seiner Brust - er fühlte seine Seele wie eine Braut im Arm des Bräutigams.
    Er hatte selbst gefühlt, daß dies nicht währen konnte. Kein Mensch auf Erden konnte lange so leben. Und er hatte jede Stunde dieses hellen Frühlings wie ein Pfand entgegengenommen - ein gnädiges Versprechen, das ihn zur Ausdauer stärken sollte, wenn die Wolken über ihm sich verdunkelten und der Weg in finstere

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