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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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geborgen als bei mir - hast du wohl sagen hören; ich baue auf Gottes Barmherzigkeit. Sie ist nicht so lange, die Zeit, in der Freunde voneinander getrennt sind. Dich wird sie vielleicht bisweilen lang dünken, jetzt, solange du jung bist, aber du hast deine Kinder und deinen Mann. Wenn du einmal in meine Jahre kommst, dann wird es dir scheinen, als sei kaum einige Zeit verflossen, seit du uns, die wir dahingegangen sind, gesehen hast, und wenn du die vergangenen Winter nachrechnest, wirst du dich wundern, daß es ihrer so viele waren. Jetzt ist es mir, als sei es gar nicht lange her, seit ich selbst ein Knabe war - und doch sind so viele Jahre vergangen, seit du als kleines blondes Mädchen mir nachliefst, wo ich ging und stand, du folgtest so getreu deinem Vater - Gott lohne dir, meine Kristin, all die Freude, die ich an dir hatte.“
    „Ja, lohnt er mir’s so, wie ich dir’s lohnte“, sie sank vor ihm in die Knie, umfaßte seine Handgelenke und küßte seine Handflächen, während sie ihr weinendes Gesicht darin verbarg. „ „O Vater, mein lieber Vater - kaum war ich eine erwachsene Jungfrau, so lohnte ich Euch Eure Liebe mit dem bittersten Kummer.“
    „Nein, nein, Kind, weine nicht so.“ Er zog seine Hände an sich, richtete Kristin zu sich auf, dann saßen sie wie zuvor da. „Auch in diesen Jahren habe ich viel Freude an dir erlebt, Kristin. Schöne und vielversprechende Kinder habe ich zu
    deinen Füßen aufwachsen sehen; du bist eine tüchtige und verständige Frau geworden- und ich habe bemerkt, daß du dich mehr und mehr daran gewöhnt hast, dort Hilfe zu suchen, wo sie am besten zu finden ist, wenn du in Nöten warst. Kristin, mein allerbestes Gold, weine nicht so schmerzlich. Du kannst dem Wesen schaden, das du unter deinem Gürtel trägst“, flüsterte er. „Sei doch nicht so traurig!“
    Allein, er vermochte nicht, sie zu beruhigen. Da zog er die Tochter ganz auf seinen Schoß herüber und setzte sie auf sein Knie; jetzt hielt er sie so wie damals, als sie klein war - ihre Arme lagen um seinen Hals, und sie barg ihr Gesicht an seiner Schulter.
    „Es gibt etwas, was ich noch zu keiner Mutter Kind gesagt habe, außer zu meinem Priester - jetzt will ich es dir sagen. In der Zeit, da ich heranwuchs - daheim auf Skog, und in der ersten Zeit, in der ich im Königsgefolge war, da fühlte ich den Drang in mir, ins Kloster zu gehen, sobald ich alt genug dazu sein würde. Ja, ich hatte kein Gelübde abgelegt, auch nicht in meinem eigenen Herzen. Auch zog mich gar manches nach der anderen Seite hin. Aber wenn ich mit dem Boot so draußen auf dem Botn-Fjord lag und fischte und die Glocken bei den Brüdern auf der Hauptinsel läuten hörte - dann dünkte mich doch, daß es mich dorthin am allermeisten ziehe.
    Als ich dann sechzehn Winter alt war, ließ mein Vater den Plattenharnisch aus spanischen damaszierten Stahlplatten für mich anfertigen; Rikard, der Engländer, in Oslo setzte ihn zusammen, und ich erhielt mein Schwert - jenes, das ich stets gebrauche - und den Pferdepanzer. Damals war es nicht so friedlich im Lande wie jetzt zu deiner Zeit, wir führten Krieg mit den Dänen, und ich wußte, daß ich meine schönen Waffen gar bald würde brauchen können. Und ich brachte es nicht über mich, sie wegzulegen. Ich tröstete mich damit, daß mein Vater es nicht gern sähe, wenn sein ältester Sohn Mönch würde, und daß ich meinen Eltern nicht zuwiderhandeln dürfte.
    Ich selbst aber habe die Welt erwählt, und wenn die Welt gegen mich war, versuchte ich zu denken, daß es unmännlich wäre, über das Schicksal zu klagen, das ich mir selbst erkoren hatte. Denn das habe ich mit jedem dahingehenden Jahr immer tiefer und tiefer verstanden - es gibt keine würdigere Wirksamkeit für den Menschen, dem es vergönnt ist, ein wenig von Gottes Gnade zu erkennen, als Gott zu dienen und für jene
    Menschen zu wachen und zu beten, denen noch der Blick durch den Schatten der weltlichen Dinge verdunkelt ist. Trotzdem muß ich doch sagen, meine Kristin - es würde mir schwerfallen, Gott zuliebe das Leben zu opfern, das ich auf meinen Höfen zugebracht habe, mit der Sorge für zeitliche Dinge und mit weltlicher Freude - mit deiner Mutter an meiner Seite und mit euch Kindern. Da muß ein Mann, der Abkömmlinge seines Leibes zeugt, es auch ertragen können, daß es im Herzen brennt, wenn er sie verliert oder die Welt sich ihnen entgegenstellt. Gott, der ihnen die Seele gab, besaß sie von jeher, und nicht ich

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