Kristin Lavranstochter 1
kraftlos lag das volle blonde und weißgesprenkelte Haar auf dem blaugemusterten Bezug des Kissens; was ihn jedoch am meisten veränderte, war der rauhe und graue Bart, der jetzt unter dem Kinn und an dem langen und breiten Hals hervorwuchs, wo sich die Sehnen wie dicke Stränge abzeichneten. Lavrans war früher stets streng darauf bedacht gewesen, sich vor jedem Messetag zu barbieren. Sein Körper war abgemagert, so daß er beinahe nur noch wie ein Gerippe aussah. Aber er sagte, es gehe ihm gut, wenn er so ausgestreckt daliege und sich nur wenig rühre. Und er war stets heiter und fröhlich.
Sie schlachteten und brauten und buken zum Leichenschmaus, trugen das Bettzeug hinaus und sahen es durch - alles, was vorher getan werden konnte, wurde jetzt getan, so daß es still sein würde, wenn der letzte Kampf kam. Lavrans lebte sehr auf, wenn er diese Vorbereitungen hörte - sein letztes Gelage sollte nicht das geringste sein, das auf Jörundhof stattgefunden hatte: mit allen Ehren und Würden wollte er sich von seiner Macht trennen. Eines Tages wollte er die beiden Kühe sehen, die bei seinem Leichenzug mitgeführt werden sollten und für Sira Eirik und Sira Solmund bestimmt waren, und so wurden sie denn zu ihm in die Stube geführt. Sie hatten den ganzen Winter hindurch das doppelte Futter bekommen und waren nun auch so schön und fett wie Almkühe um die Zeit der Olavsmesse, obwohl jetzt im Frühjahr Futtermangel herrschte. Er selber lachte am allermeisten, als die eine Kuh etwas auf dem Stubenboden verlor. Aber er fürchtete, sein Weib könnte sich mit all der Arbeit ganz aufreiben. - Kristin hatte sich selbst für eine tüchtige Hausfrau gehalten, dafür galt sie doch daheim in Skaun, jetzt aber fand sie sich im Vergleich mit ihrer Mutter völlig untauglich. Niemand begriff, wie Ragnfrid es zuwege brachte, alles das zu leisten, was sie leistete - und trotzdem schien sie nie lange von ihrem Gatten fern zu sein; auch saß sie jede Nacht bei ihm und wachte.
„Denke nur nie an mich, Lavrans“, sagte sie und legte ihre
Hand in die seine. „Du weißt, wenn du nicht mehr bist, werde ich mich von allen solchen Mühen ausruhen.“
Lavrans Björgulvssohn hatte sich vor mehreren Jahren bei den Prädikantenbrüdern in Hamar eine Ruhestätte gekauft, und Ragnfrid Ivarstochter sollte seinen Leichnam dorthin begleiten und bei ihm bleiben; sie wollte in einem Hof, den die Mönche in der Stadt besaßen, als Pfründnerin leben. Zuerst sollte der Sarg in die Kirche hier daheim getragen werden, mit großen Gaben für diese und die Priester, Lavrans’ Hengst sollte mit Rüstung und Waffen nachgeführt werden, und diese sollte Erlend mit fünfundvierzig Mark Silber auslösen. Einer von seinen und Kristins Söhnen sollte sie wohl erhalten, am liebsten jenes Kind, das sie nun trug, wenn es ein Sohn wurde - vielleicht wird es einmal ein Lavrans auf Jörundhof, lächelte der Kranke. Auf der Reise durchs Gudbrandstal hinunter sollte der Leichnam ebenfalls in mehrere Kirchen gebracht werden und dort über Nacht stehenbleiben; diese waren in Lavrans’ Testament mit Geldspenden und Wachslichten bedacht worden.
Eines Tages sprach Simon darüber, daß der Schwiegervater sich nun aufgelegen habe - er hatte Ragnfrid geholfen, den Kranken zu heben und zu waschen.
Kristin war verzweifelt über ihr eigenes eifersüchtiges Herz. Sie konnte es so schwer ertragen, daß die Eltern Simon Andressohn solche Vertraulichkeit erwiesen. Er war auf Jörundhof so daheim, wie Erlend es nie gewesen war. Beinahe jeden Tag stand sein großes zottiges Pferd am Zaun angebunden, Simon saß mit Hut und Umhang drinnen bei Lavrans; er wollte sich nicht lange aufhalten. Bald darauf trat er dann in die Türe und rief, man solle seinen Gaul nun doch in den Stall führen. Er war in alle Angelegenheiten des Vaters eingeweiht, holte den Briefschrein und suchte Urkunden und Abschriften hervor, half Ragnfrid in ihren Sachen und sprach mit dem Großknecht über die Felderbestellung. Kristin dachte daran, daß sie über alles in der Welt gewünscht hatte, ihr Vater möchte Erlend liebgewinnen, aber gleich das erstemal, als ihr Vater gegen sie zu ihm gehalten hatte, hatte sie sofort das Allerschlimmste getan.
Simon Andressohn war sehr traurig darüber, daß er seinen Schwiegervater so bald verlieren sollte. Aber es freute ihn über alle Maßen, daß er diese kleine Tochter bekommen hatte. Lavrans und Ragnfrid sprachen viel von der kleinen Ulvhild, und Simon konnte alle ihre
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