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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Fragen wegen des Wohlergehens und Gedeihens der Kleinen beantworten. Auch hier fühlte Kristin, wie ihr die Eifersucht ins Herz stach - Erlend hatte sich nie in dieser Weise um ihre Kinder bekümmert. Bisweilen dünkte es sie fast lächerlich, wenn Simon, dieser nicht mehr ganz junge Mann mit dem schweren braunroten Gesicht, dasaß und so kundig über das Bauchgrimmen und die Eßlust eines Säuglings redete.
    Simon holte sie eines Tages mit dem Schlitten ab; sie müsse doch zu ihnen kommen und ihre Schwester und deren Kind sehen.
    Er hatte die alte schwarze Feuerstube, die von den Frauen auf Formo einige hundert Jahre lang bezogen worden war, wenn sie Kinder gebären sollten, ganz umbauen lassen. Die Feuerstätte war entfernt worden, man hatte einen Ofen gemauert, und ein schönes geschnitztes Bett war warm und gut an eine Seite des Ofens gestellt worden, und auf der Wand gerade gegenüber stand ein herrlich geschnitztes Bild der Mutter Gottes, so daß man es vom Bett aus stets vor Augen haben konnte. Bodendielen waren gelegt, ein Fenster aus Glas in die Wand eingefügt, und hübsches kleines Hausgerät und neue Bänke waren aufgestellt worden. 'Simon wollte, daß Ramborg dieses Haus als Frauenstube benützte, hier konnte sie ihre eigenen Sachen unterbringen, konnte andere Frauen bewirten, und wenn auf dem Hof ein Gastgelage war, konnten sich jene Frauen hierher zurückziehen, die nicht so gern dabei waren, wenn die Männer im Laufe des Abends von Trunkenheit überwältigt wurden.
    Ramborg hatte sich zu Ehren des Gastes ins Bett gelegt. Sie war mit einem seidenen Kopftuch und einem roten Leibchen mit weißen Pelzkanten vorne an der Brust geschmückt, hatte mit Seide bezogene Kissen im Rücken, und über die Bettdecken war ein Stück geblümten Samtes gebreitet. Vor dem Bett stand Ulvhild Simonstochters Wiege. Es war die alte schwedische Wiege, die Ramborg Sunestochter nach Norwegen mitgebracht hatte; in ihr hatten Kristins Vater und Großvater, sie selbst und alle ihre Geschwister gelegen. Nach Brauch und Sitte hätte Kristin als die älteste Tochter diese Wiege mit ihrem Brautgut mitbekommen müssen, aber es war nicht darüber gesprochen worden, als sie sich verheiratete. Sie hatte wohl gemerkt, daß die Eltern es absichtlich vergaßen - erachteten sie Erlends und ihre Kinder nicht für würdig, darin zu schlafen? Seitdem vermied sie es, nach Formo zu kommen - sie sagte, es strenge sie zu sehr an.
    Sie fühlte sich auch krank, aber dies kam von Kummer und Seelenangst, denn sie konnte es sich nicht verhehlen, daß es immer schmerzlicher für sie wurde, je länger sie daheim war. So war sie beschaffen: es schmerzte sie, daß jetzt, da es mit ihrem Vater zu Ende ging, doch seine Gattin ihm am allernächsten stand.
    Stets hatte sie gehört, wie das Zusammenleben ihrer Eltern als Beispiel für eine schöne und würdige Ehe in Einigkeit, Treue und gutem Willen hervorgehoben wurde. Sie aber hatte gefühlt, ohne darüber nachzudenken, daß es trotzdem etwas gab, was die Eltern trennte - einen unbestimmten Schatten, er machte das Leben still daheim, obgleich sie friedlich und gut miteinander lebten. Jetzt stand kein Schatten mehr zwischen ihren Eltern. Sie redeten gleichmäßig und still eines mit dem andern, meist über alltägliche Kleinigkeiten, aber Kristin fühlte, daß in ihre Augen und in den Klang ihrer Stimmen etwas Neues gekommen war. Sie bemerkte, daß der Vater seine Frau stets vermißte, wenn sie nicht bei ihm war. Wenn er selbst sie dazu überredet hatte, sich ein wenig auszuruhen, lag er wie in einer leisen Unruhe wartend da, und wenn sie eintrat, war es, als folge mit ihr Frieden und Freude für den Kranken. Eines Tages hörte Kristin, wie sie über ihre gestorbenen Kinder sprachen; dennoch sahen sie glücklich dabei aus. Wenn Sira Eirik herüberkam und Lavrans vorlas, saß Ragnfrid stets bei ihnen; da nahm Lavrans oft die Hand seines Weibes, lag da und spielte mit ihren Fingern und drehte an ihren Ringen.
    Kristin wußte, daß der Vater sie nicht weniger liebte als zuvor. Aber erst jetzt hatte sie bemerkt, daß er ihre Mutter liebte. Und sie erfaßte den Unterschied zwischen der Liebe des Mannes zu seiner Frau, mit der er das ganze Leben in guten und bösen Tagen verbracht hatte, und seiner Liebe zu dem Kind, das nur seine Freuden geteilt und seine innigste Zärtlichkeit entgegengenommen hatte. Und sie weinte und betete zu Gott und Sankt Olav um Hilfe - denn sie gedachte jenes tränenschweren und zärtlichen

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