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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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nahen Verwandten besaßen sie niemand, weder Erlend noch sie - so groß ihre Sippe sonst war. Munan Baardssohn galt jetzt nicht mehr viel. Er hatte sich Gesetzwidrigkeiten zuschulden kommen lassen, als er Vogt auf Ringerike war; er machte allzu heftige Versuche, seinen vielen Kindern in der Welt vorwärtszuhelfen - vier besaß er aus seiner Ehe und fünf außerhalb derselben. Und er sollte seit Frau Katrins Tod sehr verloren haben. Inge im Rygau, Julitta und ihren Mann, Ragnrid, die in Schweden verheiratet war, kannte Erlend wenig - dies waren die Kinder, die Herr Baard und Frau Aashild hinterlassen hatten. Zwischen den Leuten auf Hestnaes und Erlend hatte seit Herrn Baard Peterssohns Tod keine Freundschaft mehr bestanden; Tormod auf Raasvold war zum Kind geworden, und seine und Frau Gunnas Kinder waren tot und die Kindeskinder unmündig. Sie selbst besaß hier im Lande von der väterlichen Seite her keine anderen Verwandten als Ketil Aasmundssohn auf Skog und Sigurd Kyrning, der mit der ältesten Tochter des Oheims verheiratet war. Die zweite war Witwe und die dritte Nonne. Von den Männern auf Sundbu schienen alle vier durch die Sache in Mitleidenschaft gezogen zu sein. Mit Erlend Eldjarn hatte Lavrans sich bei der Verteilung der Erbschaft nach Ivar Gjesling so verfeindet, daß sie seitdem einander nicht mehr hatten sehen wollen; dadurch kannte sie den Mann ihrer Muhme und die Söhne überhaupt nicht. Erlends einziger naher Verwandter war der kranke Mönch im Prädikantenkloster. Und der, der ihr in der Welt am nächsten stand, war Simon Darre, da er mit ihrer einzigen Schwester verheiratet war.
    Munan wachte auf und weinte. Kristin drehte sich im Bett herum und legte das Kind auf die andere Seite. Sie konnte ihn nicht mit nach Nidaros nehmen, so ungewiß wie alles stand. Vielleicht blieb dies der letzte Trunk, den der Kleine von der Brust der eigenen Mutter bekam. Vielleicht war es das letztemal auf der Welt, daß sie so dalag und ein kleines Kind an sich drückte, so gut, so gut... Wenn Erlend ein Todesurteil drohte... Heilige Mutter Gottes, wenn sie je einen Tag oder eine Stunde lang ungeduldig gewesen war um der Kinder willen, die Gott ihr geschenkt... Sollte dies der letzte Kuß sein, den sie von solch einem kleinen, milchsüßen Mund bekam?

5
    Kristin begab sich am nächsten Abend, gleich nachdem sie in die Stadt gekommen war, zum Königshof. Wo in diesem Hof haben sie wohl Erlend untergebracht? dachte sie und sah sich zwischen den vielen Steinhäusern um. Ihr schien, als denke sie mehr daran, wie es Erlend ergehe, als an das, was sie erfahren wollte. Aber sie erhielt den Bescheid, daß der Schatzmeister nicht in der Stadt sei.
    Ihre Augen brannten nach der langen Bootsfahrt in dem Sonnengeglitzer, und die Milch drohte ihre überfüllten Brüste zu sprengen. Als das Gesinde, das in der Stube lag, eingeschlafen war, stand sie auf und ging die ganze Nacht hindurch auf und ab.
    Am nächsten Tag sandte sie Haldor, ihren eigenen Knecht, zum Königshof. Er kam heim, entsetzt und unglücklich - Ulv Haldorssohn, sein Oheim, war bei dem Versuch, zu dem Kloster auf Holm hinüberzukommen, auf dem Fjord gefangengenommen worden. Der Schatzmeister war noch nicht zurückgekehrt.
    Diese Nachricht erschreckte auch Kristin tief. Ulv hatte im letzten Jahr nicht auf Husaby gewohnt, sondern als Lehnsmann des Vogtes die meiste Zeit auf Skjoldvirkstad gelebt, das er nun zum größten Teil besaß. Was mochte dies für eine Sache sein, mit der so viele Männer verquickt zu sein schienen? Krank und übernächtig, wie sie war, konnte sie sich der schlimmen Angst nicht erwehren.
    Am Morgen des dritten Tages war Herr Baard noch nicht heimgekommen. Und eine Botschaft, die Kristin ihrem Gatten zu senden versucht hatte, gelangte nicht bis zu ihm. Sie dachte daran, Gunnulv im Kloster aufzusuchen, brachte es jedoch nicht über sich. Unermüdlich ging und ging und ging sie daheim in der Stube auf und ab, mit halbgeschlossenen, brennenden Augen. Dazwischen war es, als bewege sie sich im Halbschlaf, kaum aber legte sie sich hin, überfielen Furcht und Schmerzen sie so sehr, daß sie, hellwach, wieder aufstehen und umhergehen mußte, um es ertragen zu können.
    Gleich nach der None kam Gunnulv Nikulaussohn zu ihr herein. Kristin ging auf den Mönch zu.
    „Hast du Erlend gesehen - Gunnulv, wessen beschuldigt man ihn?“
    „Das sind schlimme Nachrichten, Kristin. Nein, sie wollen keinen Menschen in Erlends Nähe kommen lassen - am allerwenigsten

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