Kristin Lavranstochter 1
Gestalt rank wie eine Klinge. Aber er konnte nicht darüber sprechen, sondern schritt errötend und schweigend mit ihrer Hand auf seinem Nacken dahin.
Gaute ging hinter Björgulv und hielt sich an dem Gürtel der Mutter im Rücken fest. Der ältere Bruder begann zu zanken, weil der Kleine ihm auf die Fersen trat, und sie fingen an, einander ein wenig zu stoßen und zu puffen. Die Mutter mahnte sie zur Ruhe und beendete ihren Streit - und der ernsthafte Ausdruck ihres Gesichtes milderte sich dabei zu einem Lächeln. Sie waren doch nicht mehr als Kinder, ihre Söhne...
Des Nachts lag sie wach da - mit Munan, der an ihrer Brust schlief, und Lavrans zwischen sich und der Wand.
Kristin versuchte, sich einen Begriff über die Angelegenheit ihres Mannes zu bilden.
Sie konnte nicht glauben, daß es so gefährlich sei; Erling Vidkunssohn und die Vettern des Königs auf Sudrheim waren des Landes- und Königsverrats angeklagt gewesen - sie saßen noch ebenso sicher und reich im Lande wie früher, wenn sie auch nicht mehr ebenso hoch in der Gunst des Königs standen.
Wahrscheinlich hatte Erlend sich auf einige Ungesetzlichkeiten eingelassen, um Frau Ingebjörg zu dienen. Er hatte ja in allen Jahren die Freundschaft mit seiner hohen Verwandten aufrechterhalten; Kristin wußte, daß er ihr vor fünf Jahren, als er in Dänemark bei ihr zu Gast war, gar manchen unerlaubten Dienst erwiesen hatte, der geheimgehalten werden mußte. Jetzt, da Erling Vidkunssohn sich der Sache Frau Ingebjörgs angenommen hatte und ihr die Macht über den Besitz verschaffen wollte, den sie in Norwegen besaß - es war wohl denkbar, daß Erling sie an Erlend gewiesen oder daß sie selbst sich an den Vettersohn ihres Vaters gewandt hatte, nachdem das Verhältnis zwischen Erling und dem König ein kühles geworden war. Und daß Erlend in dieser Angelegenheit unvorsichtig vorgegangen war...
Dann aber schien es nicht begreiflich, wie ihre Verwandten auf Sundbu in diese Sache hineingezogen werden konnten ...
Aber es konnte unmöglich anders enden als mit einer völligen Aussöhnung Erlends mit dem König, wenn seine Schuld in nichts weiter bestand als in zu großem Eifer im Dienste der Königinmutter.
Landesverrat. Sie hatte von dem Sturz Audun Hugleikssohns gehört - das hatte sich in der Jugend ihres Vaters ereignet. Aber es waren entsetzliche Untaten, die Herrn Audun nachgesagt wurden. Ihr Vater hatte seinerzeit erklärt, es sei eine Lüge -Jungfrau Margret Eirikstochter sei in den Armen des Bischofs von Björgvin gestorben, und Audun sei nicht mit auf der Fahrt gewesen, so daß er sie also nicht an die Heiden habe verkaufen können. Jungfrau Isabel sei dreizehn Jahre alt gewesen, Audun aber mehr als ein halbes Jahrhundert, da er sie als König Eiriks Braut holte - es sei eine Sünde für einen Christenmenschen, solchen Gerüchten, wie jenen über diese Brautfahrt, auch nur Gehör zu schenken. Die Weisen über Audun wollte der Vater nicht daheim auf seinem Hof dulden. Außerdem waren es unerhörte Dinge, die Audun Hestakorn nachgesagt wurden - er sollte die ganze Kriegsmacht König Haakons an den französischen König verkauft und auch versprochen haben, ihm mit zwölfhundert Schiffen zu Hilfe zu kommen, dafür habe er sich sieben Tonnen Gold bezahlen lassen. Aber für die Mehrzahl der Leute im Lande wurde es nie ganz aufgeklärt, warum Audun Hugleikssohn auf Nordnes am Galgen sterben mußte.
Sein Sohn ging außer Landes - die Leute sagten, er habe im Heer des französischen Königs Dienst genommen. Die Sohnestöchter des Aalhusritters, Gyrid und Signe, hatten die Richtstätte des Großvaters mit seinem Pferdeknecht verlassen. Es hieß, sie lebten irgendwo in einer Berggemeinde im Haddingjatal als arme Bäuerinnen.
Es war doch gut, daß sie keine Tochter besaßen, sie und Erlend. Nein, sie wollte nicht an so etwas denken. Es war so wenig wahrscheinlich, daß Erlends Sache einen schlimmeren Ausgang nehmen sollte als - die Erling Vidkunssohns und der Haftorssöhne ...
Nikulaus Erlendssohn von Husaby. Oh, nun fand sie selbst -Husaby war der schönste Hof in Norwegens Landen.
Sie wollte zu Herrn Baard gehen und vollen Bescheid erhalten. Der Schatzmeister war stets ihr Freund gewesen. Auch Olav, der Richter - in früherer Zeit. Aber Erlend war zu weit gegangen, damals, als die Entscheidung des Richters wegen des Hofes in der Stadt so gegen seinen Willen ausgefallen war. Und Olav nahm sich das Unglück mit dem Mann seines Patenkindes so zu Herzen.
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