Kristin Lavranstochter 1
Simon bat darum, diese anderen Dinge zu bekommen - und als Lavrans sagte, nun betröge er sich selbst, meinte Simon, der Dolch sei doch ein kostbares Stück. „Ja, und dann das Messer“, warf Ragnfrid ein und lächelte ein wenig, und die Männer lachten und sagten: „Ja, das Messer, ja.“ Um dieses Messers willen hatten der Vater und die Mutter so viele Zwiste gehabt; Ragnfrid ärgerte sich täglich darüber, das häßliche, schäbige Messer am Gürtel ihres Mannes zu sehen. Lavrans jedoch schwor, es solle ihr nie glücken, ihn von diesem Messer zu trennen. „Nie habe ich es doch gegen dich gezogen, Ragnfrid - und es ist so gut, wie nur irgendein Messer in ganz Norwegen, um damit in die Butter einzuhauen - wenn sie warm ist.“
Kristin bat darum, es ansehen zu dürfen, lag eine Weile da und hielt es in den Händen.
„Ich wollte, ich besäße dieses Messer“, sagte sie leise und bittend.
„Ja, das glaube ich gern - ich bin froh, daß ich es besitze, nicht für zwanzig Mark Silber würde ich es hergeben.“ Lachend umfaßte er ihr Handgelenk und nahm das Messer wieder an sich. Simons kleine, rundliche Hände waren stets so gut, angenehm warm und trocken.
Kurz darauf wünschte er gute Nacht, nahm das Licht und ging in die Stube hinüber. Sie hörte, wie er vor dem Kreuz dort niederkniete, wieder aufstand, die Stiefel auszog - kurz darauf legte er sich schwer in das Bett an der Nordwand. Dann sank Kristin in einen abgrundtiefen und süßen Schlaf.
Sie erwachte erst spät am nächsten Tag. Simon Andressohn war vor vielen Stunden weggegangen und hatte das Gesinde beauftragt, sie in seinem Namen zu bitten, sich ruhig im Hofe daheim zu halten.
Er kam erst kurz vor der None zurück und sagte sofort:
„Ich habe Grüße an dich von Erlend, Kristin - ich durfte mit ihm sprechen.“
Er sah, wie jung ihr Gesicht wurde, weich und angstvoll zärtlich. Dann nahm er ihre Hände in seine, während er berichtete. Viel hatten Erlend und er einander nicht sagen können, denn der Mann, der Simon zu dem Gefangenen hinaufgeführt hatte, war die ganze Zeit dabeigeblieben. Olav, der Richter, hatte Simon diese Unterredung um der Schwagerschaft willen erwirkt, die zu Halfrids Lebzeiten zwischen ihnen bestanden hatte. Erlend sandte ihr und den Kindern liebevolle Grüße, er hatte viel nach ihnen allen gefragt, am meisten jedoch nach Gaute. Simon meinte, Kristin würde in wenigen Tagen wohl die Erlaubnis erhalten, ihren Mann zu sehen. Erlend hatte ruhig und zuversichtlich geschienen.
„Wäre ich heute mit dir gegangen, dann hätte auch ich ihn jetzt gesehen“, sagte Kristin leise.
Simon bezweifelte das und meinte, seine Erlaubnis sei dem Umstande zu verdanken, daß er allein gekommen war. „Es kann in vieler Beziehung leichter für dich sein, vorzudringen, Kristin, wenn ein Mann dir vorangeht.“
Erlend sitze in einem Raum des Ostturmes, der zum Fluß hinuntersehe - in einer der Herrenkammern, wenn sie auch klein sei. Ulv Haldorssohn werde angeblich in der Dunkelstube, Haftor in einer anderen Kammer gefangengehalten.
Behutsam und tastend, während er beobachtete, wieviel sie zu ertragen vermochte, erzählte Simon, was er in der Stadt hatte erfahren können. Als er erkannte, daß sie sich selbst ganz klar darüber war, verbarg er nicht länger, daß auch er die Sache für gefährlich ansah. Aber alle, mit denen er gesprochen hatte, waren der Meinung gewesen, Erlend könne unmöglich sich erdreistet haben, einen solchen Angriff zu planen und ihn so weit durchzuführen, wie er es getan hatte, ohne sicher zu sein, einen großen Teil der Ritterschaft und der Herren hinter sich zu haben. Wenn aber die Schar der mißvergnügten Vornehmen so groß war, konnte man nicht erwarten, daß der König es wagen würde, hart gegen deren Anführer vorzugehen, sondern durfte hoffen, daß er Erlend gestatten würde, sich auf irgendeine Weise mit ihm auszusöhnen.
Kristin fragte leise:
„Wo steht Erling Vidkunssohn in dieser Sache?“
„Um das zu wissen, würde, soviel ich bemerkt habe, gar mancher etwas geben“, antwortete Simon.
Jedoch - er äußerte es nicht zu Kristin und hatte auch den Männern, mit denen er über diese Sache gesprochen hatte, nichts davon gesagt - es schien ihm wenig wahrscheinlich, daß hinter Erlend eine Schar von Männern stehen sollte, die sich verpflichtet hatten, ihn in einer so gefährlichen Sache mit Leib und Leben zu unterstützen. Sie würden kaum Erlend zum Anführer gewählt haben - daß Erlend
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