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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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vorzubringen.
    Im Laufe des Sommers hatte sich inzwischen Haflor Olavssohn von Godöy mit dem kleinen Dolch, den jeder Gefangene hatte behalten dürfen, um damit sein Essen zu schneiden, umgebracht. Die Gefangenschaft hatte Haftor wohl so angegriffen, daß er nicht mehr im vollen Besitz seines Verstandes gewesen war. Als Erlend dies hörte, sagte er zu Simon, daß er sich nun nicht mehr vor Haflors Mund zu fürchten brauche. Aber er war doch sehr erschüttert.
    Mit der Zeit hatte es sich so gefügt, daß sich die Wache draußen irgend etwas zu schaffen machte, wenn Simon oder Kristin bei Erlend war. Simon und Kristin merkten und sprachen auch untereinander darüber, daß Erlends erster und letzter Gedanke war, durch diese Anklage hindurchzukommen, ohne daß seine Mitschuldigen verraten würden. Zu Simon sagte er dies eines Tages offen heraus. Er hatte allen, mit denen er sich verschworen hatte, versprochen, daß er sich lieber selbst die Hand abhauen wollte, als etwas zu verraten, wenn es so weit käme. „Und bis jetzt habe ich doch noch niemand im Stich gelassen, der sein Vertrauen in mich gesetzt hat.“ Simon sah den anderen an - Erlends Augen waren blau und klar; kein Zweifel, er sagte dies von sich im besten Glauben.
    Auch den Sendboten des Königs war es nicht geglückt, weitere Männer aufzuspüren, die an Erlends Landesverrat beteiligt waren, außer den Brüdern Greip und Torvard Toressohn auf Möre, und diese wollten nichts weiter von Erlends Plänen gewußt haben, als daß er und noch andere die Herzogin überreden wollten, Junker Haakon Knutssohn in Norwegen erziehen zu lassen. Danach sollten die Anführer König Magnus vor Augen halten, daß es zum Besten seiner beiden Reiche wäre, wenn er seinem Halbbruder die Königswürde in Norwegen verleihe.
    Den Trondssöhnen, Borgar und Guttorm, war es geglückt, aus dem Königshof in Veöy zu entkommen - niemand wußte, auf welche Weise, aber die Leute vermuteten, daß bei Borgar Frauenhilfe mit im Spiel gewesen sei; er war sehr schön und ein wenig leichtsinnig. Ivar von Sundbu saß noch im Mjöskastell; den jungen Haavard schienen die Brüder außerhalb ihrer Pläne gehalten zu haben.
    Zugleich mit der Versammlung der Königsmänner im Königshof hielt der Erzbischof auf seiner Burg ein Konzilium ab. Simon besaß viele Freunde und Bekannte; dadurch konnte er Kristin Neues melden. Alle meinten, Erlend würde wohl zu Landesverweisung und Verlust seiner Besitztümer an den König verurteilt werden. Auch Erlend meinte, daß es so kommen würde; er war guten Mutes - und beabsichtigte nach Dänemark zu gehen. So, wie die Dinge dort im Lande lagen, stand einem raschen und waffentüchtigen Mann immer ein Weg offen, und Frau Ingebjörg würde Kristin sicher als Verwandte aufnehmen und ihr die geziemenden Ehren angedeihen lassen. Die Kinder sollte Simon zu sich nehmen, aber die beiden ältesten Söhne wollte Erlend doch am liebsten bei sich haben.
    Kristin war diese ganze Zeit nicht einen Tag außerhalb der Stadt gewesen und hatte ihre Kinder nicht gesehen - mit Ausnahme von Naakkve und Björgulv; sie kamen eines Abends allein zum Hof geritten. Die Mutter behielt sie einige Tage bei sich, dann aber sandte sie sie nach Raasvold, wo Frau Gunna die kleineren zu sich genommen hatte.
    Erlend wünschte es so. Und sie selbst fürchtete sich vor den Gedanken, die in ihr wach werden könnten, wenn sie ihre Söhne um sich sähe, ihre Fragen hörte und versucht wäre, sie in die Sachen einzuweihen. Sie kämpfte darum, alle Gedanken und Erinnerungen an die Jahre ihrer Ehe auf Husaby von sich zu schieben. So reich waren sie gewesen, daß sie ihr nun wie eine große Ruhe erschienen, so wie in dem Wellenschlag des Meeres eine Art Ruhe liegt, wenn man hoch genug oben auf einem Berge steht. Die Wellen, die einander jagen, sind wie ewig und wie ein und dieselben; so hatte in diesen raumweiten Jahren das Leben durch ihr Gemüt gewogt.
    Jetzt war es wieder wie in den jungen Jahren, da sie ihre Liebe zu Erlend gegen alles und gegen alle gesetzt hatte. Auch jetzt war ihr Leben eine einzige Erwartung von Stunde zu Stunde zwischen den Augenblicken, da sie ihren Mann sehen durfte, da sie neben ihm auf der Bettstelle in dem Turmgelaß im Königshof saß, ruhig und gleichmäßig mit ihm sprach - bis es sich traf, daß sie einen kleinen Augenblick allein blieben und sie sich in heißen, endlosen Küssen und in wilder Umarmung einander in die Arme warfen.
    Die übrige Zeit war sie in der

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