Kristin Lavranstochter 1
weinte. Sie behielt nun die beiden Kleinen bei sich und auch Gaute, der nicht mit Simon hatte gehen wollen - es schien ihr auch nicht geraten, das Kind, das für sein Alter eine allzu schwere Bürde trug, aus den Augen zu lassen.
Sira Eiliv hatte die Kinder in die Stadt gebracht. Er hatte beim Erzbischof um Urlaub von seiner Kirche nachgesucht und um die Erlaubnis, seinen Bruder in Tautra besuchen zu dürfen; das wurde Erlend Nikulaussohns Hauspriester gerne gestattet. Nun meinte er, Kristin könne nicht mit der Sorge für so viele Kinder in der Stadt bleiben, und er erbot sich, Naakkve und Björgulv mit ins Kloster hinauszunehmen.
Am letzten Abend, ehe der Priester und die Knaben reisen sollten - Simon war mit den Zwillingen schon weg beichtete Kristin dem frommen und reingesinnten Mann, der in allen diesen Jahren ihr geistlicher Vater gewesen war. Sie saßen viele Stunden lang zusammen, und Sira Eiliv legte ihr ans Herz, demütig und gehorsam gegen Gott zu sein und geduldig, treu und liebevoll gegen ihren Eheherrn. Sie kniete vor der Bank, auf der er saß; da stand Sira Eiliv auf, ließ sich neben ihr auf die Knie nieder, noch mit der roten Stola, dem Zeichen des Joches der Liebe Christi, angetan, und betete lange und brennend, ohne Worte. Aber sie wußte, er betete für Vater und Mutter und Kinder und für das ganze Gesinde, für jene Menschen, deren Seelenheil er in allen diesen Jahren so getreu zu fördern bestrebt gewesen war.
Am Tag darauf stand sie am Hafen und sah zu, wie die Laienbrüder von Tautra auf dem Boot die Segel setzten, das den Priester und ihre beiden ältesten Söhne wegführen sollte. Auf dem Heimweg betrat sie die Kirche der Minoriten und verweilte dort so lange, bis sie sich stark genug glaubte, sich in ihren eigenen Hof heimzuwagen. Und am Abend, als die beiden Kleinen eingeschlafen waren, saß sie mit ihrer Spindel da und erzählte Gaute Geschichten, bis es auch für den Knaben Zeit wurde, schlafen zu gehen.
6
Erlend wurde bis fast zur Klemensmesse (23. November) im Königshof festgehalten. Da kamen Brief und Botschaft, er solle unter sicherem Geleit zu einer Begegnung mit König Magnus fahren. Der König beabsichtigte, Weihnachten dieses Jahr auf Baagahus zu feiern.
Kristin wurde von einer entsetzlichen Furcht befallen. Mit unsäglicher Mühe hatte sie sich daran gewöhnt, ruhig zu scheinen, während Erlend unter dem Todesurteil gefangengehalten wurde. Nun sollte er weit ins Ungewisse hinausgeführt werden, über den König wurde so vielerlei gesagt, und in den Kreisen der Männer, die ihm nahestanden, besaß ihr Mann keine Freunde. Ivar Ogmundssohn, der nun Schloßhauptmann auf Baagahus war, hatte sich über Erlends Königsverrat in den härtesten Worten geäußert. Und es hieß, er sei noch aufgebrachter, seitdem er wieder verschiedene lose Reden erfahren hätte, die Erlend über ihn geführt habe.
Aber Erlend war guten Mutes. Kristin sah wohl, daß er die bevorstehende Trennung von ihr nicht leichtnahm. Aber dieses lange Eingesperrtsein begann ihn nun so zu bedrücken, daß er begehrlich nach der Aussicht auf eine lange Seereise griff und gegen alles andere beinahe gleichgültig zu sein schien.
Die Angelegenheit war im Laufe von drei Tagen geordnet, und Erlend fuhr mit Herrn Finns Schiff. - Simon hatte versprochen, vor der Adventszeit nach Nidaros zurückzukehren, nachdem er seine eigenen Sachen daheim ein wenig hätte ordnen können. Für den Fall, daß vorher neue Nachrichten einträfen, hatte er Kristin gebeten, ihm Botschaft zu senden, worauf er dann sofort kommen würde. Nun verfiel sie auf den Gedanken, zu ihm nach Süden zu fahren, um von dort aus zum König zu ziehen, ihm zu Füßen zu fallen und um Gnade für ihren Gemahl zu bitten - ihm gerne all ihren Besitz als Lösegeld für sein Leben anzubieten.
Erlend hatte seinen Hof an verschiedene Leute in der Stadt verkauft und verpfändet; jetzt besaß das Kloster von Nidarholm das Wohnhaus, aber Abt Olav hatte liebevoll an Kristin geschrieben und sie gebeten, es so lange zu benützen, wie sie es benötige. Sie wohnte nun allein dort, mit einer Dienstmagd und Ulv Haldorssohn, den man wieder auf freien Fuß gesetzt hatte, da man ihm nicht genug hatte nachweisen können, sowie seinem Bruder Haldor, Kristins eigenem Knecht.
Sie beriet sich mit Ulv, und er äußerte zunächst einige Zweifel - er meinte, es würde eine harte Reise für sie werden über das Dovregebirge hinüber; in den Bergen sei bereits viel Schnee gefallen.
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