Kristin Lavranstochter 1
hatte ja gedacht, daß er möglicherweise den Winter über von daheim weg sein müsse; in diesem Falle hatte sie es bei den jungen Verwandten angenehmer. Nein, für die Hauswirtschaft hier auf Formo mache es keinen Unterschied, ob sie daheim sei oder nicht, lachte Simon - er hätte ja nie verlangt, daß Ramborg, das Kind, sich mit dieser großen Arbeit abmühen sollte.
Zu Kristins Plänen sagte Simon sofort, daß er mit ihr nach Süden reisen wolle. Er habe dort so viele Verwandte und Freunde seines Vaters und eigene Freunde aus früherer Zeit, daß er hoffe, ihr dort besser dienen zu können als im Norden. Auch werde es ihm dort eher möglich sein, zu beurteilen, ob es klug von ihr sei, den König selbst aufzusuchen. In drei bis vier Tagen werde er zur Reise bereit sein.
Sie gingen am nächsten Tag, einem Sonntag, miteinander zur Messe, und danach besuchten sie Sira Eirik daheim auf Romundshof. Der Priester war jetzt alt; liebevoll nahm er Kristin auf und schien sehr traurig über ihr Mißgeschick. Dann gingen sie nach Jörundhof hinüber.
Die Häuser waren dieselben, und in den Stuben standen dieselben Betten und Bänke und Tische. Das war nun ihr eigener Hof. Es hatte jetzt fast den Anschein, als sollten hier ihre Söhne aufwachsen und als sollte sie selbst einmal hier ihre Augen schließen. Aber niemals hatte sie es so klar gefühlt wie in dieser Stunde, daß ihre Eltern das Leben in diesem Heim getragen hatten. Was sie auch im geheimen durchzukämpfen gehabt hatten, allen rings um sie war ein Strom von Wärme und Hilfe, Frieden und Sicherheit zugeflossen.
Unruhig und schwermütig, wie sie war, ermüdete es sie ein wenig, wenn Simon von seinen eigenen Sachen, dem Hof und den Kindern sprach. Sie fühlte selbst, daß dies unrecht von ihr war; er schien bereit, ihr nach besten Kräften zu helfen, sie erkannte an, -wie gut es von ihm war, daß er zur Weihnachtszeit von seinem Heim und seiner Frau, trotz ihrem jetzigen Zustande, wegfahren wollte - er dachte sicher viel daran, ob er jetzt wohl einen Sohn bekäme, er hatte doch nur das eine Kind mit Ramborg, obgleich sie jetzt bald sechs Jahre verheiratet waren. Sie durfte nicht erwarten, er werde sich ihr und Erlends Unglück so zu Herzen nehmen, daß er darüber alle Freude über sein eigenes, glückliches Leben vergessen würde - es war seltsam, zusammen mit ihm hier umherzugehen, wo er so froh und warm und sicher in seinem Heim zu leben schien.
Unwillkürlich hatte Kristin gedacht, Ulvhild Simonstochter müsse ihrer eigenen kleinen Schwester, nach der sie den Namen bekommen hatte, ähnlich sehen - blond und zart und hell sein. Aber Simons kleine Tochter war rund und drall, mit Wangen wie Äpfel und einem Mund wie rote Beeren, mit flinken grauen Augen, die denen des Vaters in seiner Jugend glichen, und mit schönem gelocktem braunem Haar. Simon liebte sein holdes, liebliches Kind sehr und war stolz über das muntere Geplauder.
„Obwohl dieses Mädchen so garstig und böse und abscheulich ist“, sagte er, umschloß den kleinen Brustkorb mit seinen Händen und rollte das Kind hin und her, während er es in die Höhe hob, „ich glaube, es ist ein Wechselbalg, den die Berggeister vom Felskamm oben ihrer Mutter und mir in die Wiege gelegt haben. Solch ein häßliches und schreckliches Kind ist es.“ Dann stellte er die Kleine hastig hin und machte rasch dreimal das Zeichen des Kreuzes über dem Kind, wie erschrocken über seine eigenen unvorsichtigen Worte.
Seine Buhlentochter, Arngjerd, war nicht schön, aber sie sah freundlich und verständig aus, und der Vater nahm sie so oft mit sich, wie sich Gelegenheit dazu bot. Er lobte ihre Tüchtigkeit früh und spät - Kristin mußte Arngjerds Truhe besehen und alles, was sie bereits selbst zu ihrer Aussteuer gesponnen und gewebt und genäht hatte.
„Der Tag, an dem ich die Hand dieser meiner Tochter in die eines guten und treugesinnten Mannes lege“, sagte Simon und blickte dem Kinde lange nach, „wird einer der frohesten sein, die ich erlebe.“
Um Kosten zu sparen und damit die Reise schnell vor sich gehen konnte, wollte Kristin keine Magd mitnehmen und keinen anderen Mann als Ulv Haldorssohn. Vierzehn Tage vor Weihnachten ritten also sie und Ulv, begleitet von Simon Andressohn und seinen zwei jungen, flinken Knechten, von Formo weg.
Als sie in Oslo anlangten, brachte Simon sofort in Erfahrung, daß der König nicht nach Norwegen käme - er wollte Weihnachten offenbar doch in Stockholm feiern. Erlend befand
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