Kristin Lavranstochter 1
entsetzlich weh, wenn sie an ihren Vater dachte, er lachte viel, sowie Simon die geringste Ursache dazu gab - ihr dämmerte die Ahnung, der Vater hätte vielleicht gerne etwas mehr in seinem Leben gelacht. Aber sie mochte es nicht, daß er Simon so gut leiden konnte.
Uber Ostern waren sie alle auf Skog gewesen. Sie hatte gemerkt, daß der Oheim ein strenger Hausvater gegen seine Bauern und sein Gesinde war - der und jener hatte sie nach ihrer Mutter gefragt und liebevoll von Lavrans gesprochen; sie hatten bessere Tage gehabt, als er noch hier wohnte. Aasmunds Mutter, Lavrans’ Stiefmutter, lebte in einem Haus für sich allein auf dem Hof, sie war nicht so sehr alt, aber kränklich und schwach. Lavrans hatte daheim selten von ihr gesprochen. Einmal, als Kristin fragte, ob er eine böse Stiefmutter gehabt habe, hatte der Vater geantwortet: „Sie hat nicht viel an mir getan, weder Gutes noch Böses.“
Kristin griff nach der Hand des Vaters, und er drückte die ihre.
„Du wirst schon froh werden, meine Tochter, bei den würdigen Schwestern - da bekommst du anderes zu tun, als dich nach uns heimzusehnen.“
Sie fuhren so nahe der Stadt dahin, daß der Geruch von Teer und gesalzenen Fischen von den Bollwerken bis zu ihnen hinausgetragen wurde. Gyrid nannte die Kirchen und Höfe und die offenen Plätze, die sich vom Wasser aus hinaufzogen - Kristin kannte nichts mehr wieder vom letzten Male, außer den schwerfälligen Türmen der Halvardskirche. Sie fuhren westlich um die ganze Stadt herum und legten beim Nonnenbollwerk an.
Kristin ging zwischen ihrem Vater und ihrem Oheim durch eine Reihe von Strandschuppen, und sie kamen auf einen Weg, der über Äcker führte. Gyrid folgte nach, von Simon an der Hand geleitet. Die Dienstleute blieben zurück, um mit einigen Männern vom Kloster das Reisegut auf einen Karren zu laden.
Nonneseter und ganz Leiran lagen innerhalb der Stadtgrenzen, aber es standen nur da und dort einige Häuser am Wege entlang. Die Lerchen trillerten über ihren Köpfen in der blaßblauen Luft, es wimmelte von kleinen gelben Blumen an den fahlen Lehmhängen, aber längs den Zäunen war es grün bis in die Graswurzel hinunter.
Als sie das Tor durchschritten hatten und in den Kreuzgang eintraten, kamen gerade alle Nonnen aus der Kirche ihnen entgegengezogen, Gesang und Musik strömten aus der offenen Tür heraus.
Kristin sah den vielen schwarzgekleideten Frauen mit der weißen Leinenbinde um das Gesicht ganz beklommen nach. Sie verneigte sich tief, und die Männer verbeugten sich, den Hut an die Brust gedrückt. Nach den Nonnen kam eine Schar junger Mädchen - einige waren noch Kinder - in Kleidern aus ungefärbtem Fries, mit schwarz und weiß gedrehten Gürteln um den Leib und das Haar mit derselben Art von schwarzweißen Schnüren straff zurückgeflochten. Kristin sah die jungen Mädchen unwillkürlich mit stolzer Miene an, denn sie fühlte sich schüchtern und hatte Angst, die anderen könnten meinen, sie sähe dumm und bäurisch aus.
Es war so prächtig im Kloster, daß sie ganz überwältigt wurde. Alle Gebäude rings um den inneren Hof waren aus grauem Stein. Auf der Nordseite ragte die Längswand der Kirche hoch über die anderen Häuser hinaus; das Dach erhob sich in zwei Absätzen, und an der Westseite trug es einen Turm. Der Hofraum war mit Steinen gepflastert, und ringsum lief ein überdeckter Gang, dessen Dach von schönen Säulen getragen wurde. Mitten auf dem Platz stand eine Steinsäule der Mater misericordiae, die ihren Mantel über ein paar kniende Menschen breitete.
Eine Laienschwester kam nun und bat sie, ihr in das Sprechzimmer der Äbtissin zu folgen. Frau Groa Guttormstochter war eine große und alte Frau, sie wäre schön gewesen, hätte sie nicht so viele Barthaare um den Mund gehabt. Ihre Stimme war tief und glich einer Männerstimme. Aber sie hatte ein gewinnendes Wesen, sprach mit Lavrans darüber, daß sie seine Eltern gekannt habe, und. fragte nach seiner Frau und seinen anderen Kindern. Schließlich wandte sie sich freundlich Kristin zu.
„Ich habe viel Gutes über dich gehört, und du siehst klug und wohlerzogen aus, du wirst uns gewißlich keine Ursache zur Unzufriedenheit geben. Ich habe erfahren, daß du dem wohlgeborenen und guten Mann Simon Andressohn, den ich hier sehe, anverlobt bist - es dünkt mich ein guter Rat deines Vaters und deines Gemahles, daß sie es dir vergönnen, einige Zeit hier im Hause der Jungfrau Maria zu wohnen, so daß du lernen kannst,
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