Kristin Lavranstochter 1
zog ein Päckchen mit Rosinen heraus und gab es dem Kind. „Ich hatte es dir zugedacht“, sagte er zu Kristin. „Glaubst du, daß das Kind hier schweigen kann?“
Sie redeten schnell und lachend, alle beide. Erlend war in ein kurzes und enges braunes Wams gekleidet und hatte eine kleine rote Seidenmütze auf sein schwarzes Haar gedrückt - er sah so jung aus, lachte und scherzte mit dem Kind, aber dazwischen nahm er Kristins Hand und drückte sie, daß es weh tat.
Er sprach von Kriegsgerüchten und war froh. „Da wird es leichter für mich sein, die Freundschaft des Königs wiederzugewinnen“, sagte er, „da wird alles leichter“, fügte er heftig hinzu.
Schließlich saßen sie auf einer Wiese ein Stück weit oben im Walde. Erlend hatte das Kind auf dem Schoß, Kristin saß neben ihm; im Schutz des Grases spielte er mit ihren Fingern. Er schob drei goldene Ringe in ihre Hand, die mit einer Schnur zusammengeknüpft waren. „Später“, flüsterte er, „sollst du so viele bekommen, wie deine Hände tragen können.“
„Ich werde hier auf dieser Wiese jeden Tag um diese Zeit auf dich warten, solange du auf Skog bist“, sagte er, als sie sich trennten. „Du mußt kommen, wenn du kannst.“
Am nächsten Tag reiste Aasmund Björgulvssohn mit Frau und Kindern zu Gyrids Stammhof auf Hadeland. Sie waren von den Kriegsgerüchten aufgeschreckt; das Entsetzen steckte noch in den Bewohnern rings um Oslo seit Herzog Eiriks Plünderungszug dorthin vor etlichen Jahren. Aasmunds alte Mutter hatte solche Angst, daß sie in Nonneseter ihre Zuflucht nehmen wollte, auch war sie zu schwach, mit den anderen zu reisen. Kristin sollte auf Skog bei der Alten - sie nannte sie Großmutter - bleiben, bis Aasmund von Hadeland zurückkäme.
Um die Mittagszeit, als die Leute auf dem Hofe rasteten, ging Kristin in den Raum hinauf, in dem sie schlief. Sie hatte einige Kleider in einem Fellsack mitgebracht, und nun wechselte sie ihr Gewand und summte dabei.
Der Vater hatte ihr ein Kleid aus dickem Baumwollstoff geschenkt, es war himmelblau mit einem dichten roten Blumenmuster; das zog sie an. Sie bürstete ihr Haar und band es mit roten Seidenbändern zurück, schlang einen roten Seidengürtel eng um ihren Leib und steckte Erlends Ringe an die Finger; dazwischen dachte sie, ob er sie wohl schön finden würde.
Die beiden Hunde, die mit Erlend im Wald gewesen waren, hatte sie des Nachts bei sich in der Giebelstube schlafen lassen - nun lockte sie sie mit. Sie schlich außen um die Häuser herum und schlug denselben Pfad in den Wald ein wie am Tag zuvor.
Die Waldwiese lag einsam und still in brennender Mittagssonne; es duftete heiß nach dem Tannenwald, der sie rings umschloß. Die Sonne stach, und der blaue Himmel wurde merkwürdig dicht und hart über den Baumwipfeln.
Kristin setzte sich in den Schatten am Rande des Waldes. Sie war nicht betrübt, weil Erlend noch nicht da war; sie wußte sicher, daß er kommen würde, und es bereitete ihr eine eigene Freude, eine kurze Weile einsam hier sitzen zu dürfen.
Sie lauschte auf das leise Summen der kleinen Lebewesen über dem gelben verbrannten Gras, riß einige verdorrte, würzig duftende Blumen ab, die sie, ohne mehr als die Hand auszustrecken, erreichen konnte, zerrieb sie zwischen den Fingern und roch daran - mit weitoffenen Augen saß sie da und versank in eine Art Schlummer.
Sie rührte sich nicht, als sie ein Pferd drinnen im Walde hörte. Die Hunde knurrten und stellten die Nackenhaare auf -dann setzten sie über die Wiese dahin, bellend und wedelnd. Erlend sprang am Waldesrand vom Pferde, gab es mit einem Schlag auf die Flanke frei und lief zu ihr hinunter mit den Hunden, die an ihm hochsprangen. Dabei umfaßte er mit den Händen ihre Schnauzen und kam mit den beiden elchgrauen wolfsähnlichen Tieren auf sie zu. Kristin lächelte und streckte die Hand aus, ohne sich zu erheben.
Einmal, während sie den schwarzbraunen Kopf betrachtete, der ihr zwischen ihren Händen im Schoße lag, stand plötzlich eine Erinnerung vor ihr. Klar und fern sah sie sie vor sich, plötzlich, wie an einem Berghang ein weitentferntes Haus klar aus dem Wolkendunkel aufleuchten kann, wenn ein Sonnenstreif an einem unruhigen Tag dorthin fällt. Und es war, als würde in ihrem Herzen jene ganze Zärtlichkeit aufgedeckt, um die Arne Gyrdssohn sie einmal gebeten hatte, als sie seine Worte noch nicht verstand. Angstvoll heftig zog sie den Mann zu sich herauf und barg sein Gesicht an ihrer Brust, küßte
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