Kristin Lavranstochter 2
lassen, was gesagt wurde. Hast du das nicht getan?“
Der Priester wurde rot.
„Ich habe herzlich für diese Frau gebetet, damit sie freiwillig ihren starren Sinn bekehren und sich der Reue und der Buße zuwenden möge - mein Freund war ihr Vater nicht“, sagte der Priester heftig. „Aber trotzdem weiß ich doch auch, daß Lavrans auf Jörundhof ein rechtschaffener Mann war und stark im Glauben. Er hätte wohl Besseres verdient - aber diese seine Tochter hat Schande über Schande auf ihn geladen. Kaum war sie eine erwachsene Jungfrau, so war sie durch ihren Leichtsinn die Ursache, daß zwei gute Burschen aus dem Tal hier den Tod erlitten. Dann brach sie einem prächtigen und vornehmen Ritterssohn, den der Vater ihr zum Gemahl erwählt hatte, die Treue, erzwang sich auf unehrenhafte Weise ihren Willen und bekam jenen Mann, der, wie Ihr, Herr, wohl wißt, als Landes- und Königsverräter verurteilt wurde. Aber ich dachte, schließlich müßte doch wohl ihr Herz weich werden, wenn sie sähe, wie sie und die Ihren gehaßt und verachtet mit dem schlimmsten Ruf auf Jörundhof lebten, wo ihr Vater und Ragnfrid Ivarstochter die Achtung und Liebe eines jeden genossen hatten.
Aber es wurde zuviel, als sie nun mit ihrem Sohn zur Firmung herkam - und dieser Mann Euch den Knaben vorführen sollte, derselbe Mann, von dem die ganze Gemeinde weiß, daß Kristin mit ihm in zweifacher Hurerei und in Blutschande lebt..."
Der Bischof gab dem anderen ein Zeichen, er solle schweigen.
„Wie nahe ist Ulv Haldorssohn mit deinem Mann verwandt?“ fragte er Kristin.
„Ulvs rechter Vater war Herr Baard Peterssohn von Hestnaes. Er war ein Halbbruder von Gaute Erlendssohn auf Skogheim, Erlend Nikulaussohns Muttervater.“
Ungeduldig wandte Herr Halvard sich zu Sira Solmund.
„Blutschande ist das nicht; ihre Schwiegermutter und Ulv sind Kinder zweier Brüder, es ist ein Vergehen gegen das Verwandtschaftsgebot und schwere Sünde, wenn es sich so verhält - du brauchst es nicht schlimmer zu machen.“
„Ulv Haldorssohn ist der Pate des ältesten Sohnes dieser Frau“, sagte Sira Solmund.
Der Bischof sah sie an, und Kristin antwortete:
„Ja, Herr.“
Herr Halvard saß eine Weile da und schwieg.
„Gott steh dir bei, Kristin Lavranstochter“, sagte er bekümmert. „Ich kannte deinen Vater in früheren Zeiten - als junger Mensch war ich einmal sein Gast auf Jörundhof. Ich weiß noch, welch ein schönes, unschuldiges Kind du warst. Wäre Lavrans Björgulvssohn noch am Leben, so wäre das nicht eingetroffen. Denke an deinen Vater, Kristin - um seinetwillen mußt du diese Schande von dir abtun und dich reinigen, so du kannst.. .“
Wie ein Blitz durchfuhr es sie: sie erkannte den Bischof wieder. Ein Wintertag, um die Zeit des Sonnenuntergangs - ein roter, sich aufbäumender junger Hengst auf dem Hofplatz und ein Priester mit schwarzem Haarkranz um das rotglänzende Gesicht. Er hing am Zügel, war mit Schaum bespritzt und wollte das übermütige Tier bezwingen und sich ohne Sattel hinaufschwingen. Ringsherum standen betrunkene, lachende Weihnachtsgäste, unter ihnen der Vater, das Gesicht rot vom Trunk und von der Kälte, er schrie lustig und laut hinaus.
Sie wandte sich Kolbein Jonssohn zu.
„Kolbein! Du kennst mich von Kindesbeinen an - und kanntest mich und meine Geschwister daheim bei Vater und Mutter - ich weiß, du liebtest meinen Vater so sehr, daß - Kolbein -glaubst du das von mir?“
Kolbein, der Bauer, sah sie an; hart und bekümmert sagte er;
„Du sagtest, wir liebten deinen Vater. Ja, uns, seinen Knechten, armen Dienstleuten und Bettlern, die Lavrans auf Jörundhof liebten, uns dünkte, er sei so, wie Gott wünschen mag, daß ein Fürst sein soll. - Frage nicht uns, Kristin Lavranstochter, die wir sahen, wie dein Vater dich liebte und wie du ihm seine Liebe lohntest - was wir dir zutrauen!“
Kristin senkte den Kopf auf die Brust. Der Bischof vermochte kein Wort mehr aus ihr herauszubringen - sie gab ihm keine Antwort mehr auf seine Fragen.
Da stand Herr Halvard auf. Neben dem Hochaltar befand sich eine kleine Türe, die zu dem geschlossenen Teil des Rundgangs hinter der Apsis des Chores führte. Ein Teil dieses Rundganges wurde als Sakristei benutzt, und ein Teil war mit kleinen Luken versehen, durch die die Aussätzigen die Hostie empfangen konnten, wenn sie draußen standen und die Messe anhörten, von der übrigen Gemeinde getrennt. Aber jetzt hatte schon seit mehreren Jahren niemand mehr im Kirchspiel an
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