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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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keinem anderen Grund. Und nur wegen diesem verdammten Spionage-Paragraphen werden sie mich vorläufig nicht rüberlassen. Aufhängen sollte man die ganze Bagage!«
    »He!« Lenz wurde es immer ungemütlicher zumute. »Beherrsch dich mal ’n bisschen.«
    »Wozu?« Der lange Journalist machte immer größere Schritte. »Wovor hast du Angst? Hier drin, mein Lieber, bist du so frei wie nirgendwo sonst in unserer bananenlosen Republik. Biste erst hier, ist dein Ruf ruiniert, tiefer geht’s nicht. Einzige Schreckensvision: Sie wollen dir noch ’ne Chance geben. Passiert dir das, gibt’s nur eine Möglichkeit: Zur Grenze marschieren und lauthals deine Ausreise fordern. Und das immer wieder, egal, wie oft sie dich in den Knast stecken; so lange, bis sie endgültig die Nase voll von dir haben.« Das nämlich, genau das würde er tun, wenn er erst wieder draußen war. »Bin nicht mal achtundzwanzig. Vielleicht bleiben mir ja noch fünfzig Jährchen. Da gehe ich doch lieber noch zwei-, dreimal in den Knast und habe danach vierzig herrliche Sommer auf Hawaii, Rhodos und Sylt, bevor ich in die Kiste steige.«
    Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, erzählte Hahne von seinem Fluchtversuch. Ein gewerbliches Fluchthilfeunternehmen hatte ihm in die westliche Sonne verhelfen sollen. Erst ein Flug nach Prag, von dort aus – mit westlichen Papieren – weiter in die Bundesrepublik. Er saß schon im Flugzeug, da winkten sie ihn wieder heraus, die Herren vom VEB Schild-und-Schwert-der-Partei. »Klein-Hajos große Reise raus aus dem Schatten, bereits in Schönefeld war sie beendet.«
    Er lachte wieder und sah Lenz an. Also erzählte nun der, was ihn in diese Zelle gebracht hatte. Als er damit fertig war, machte Hahne ein nachdenkliches Gesicht. »Und wer hat dich verraten?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Aber du musst doch irgendeinen Verdacht haben.«
    Lenz zuckte die Achseln. Er hatte in den zurückliegenden Monaten immer wieder über diese Frage nachgedacht, es war ihm trotzdem niemand eingefallen.
    Hahne: »Ihr hattet es niemandem gesagt?«
    »Nein. Aber vielleicht hatte man uns beobachtet … Meine Frau und ich, wir waren beide beim Außenhandel. Und ganz sicher galten wir als politisch nicht besonders zuverlässig.«
    Hahne nickte: »Verstehe. Alle können es gewesen sein, das ganze mit Spitzeln so reich gesegnete Land … Sie können aber auch ’ne Wanze bei euch eingebaut haben … Oder der Passlieferant im Westen war nebenberuflich Stasi-Mann.«
    Möglichkeiten, die auch Lenz bereits erwogen hatte. Er lächelte bitter. Gleich darauf wollte Hahne wissen, wann seine Frau und er denn verhaftet worden seien.
    »Im August.«
    »Schade! Das ist zu spät! Da seid ihr nicht mehr unter die Amnestie gefallen. Sonst wärt ihr vielleicht jetzt schon in Frankfurt.«
    »Was denn für ’ne Amnestie?«
    »Das weißt du auch nicht?« Seufzend klärte Hahne Lenz darüber auf, dass im September eine Amnestie erlassen worden sei. Alle Häftlinge, die noch eine Strafe bis zu fünf Jahren zu verbüßen hatten und deren Akten bis zum 31.7. geschlossen waren, durften hoffen, von dieser Knastentleerungsmaßnahme profitieren zu dürfen. Er selber, so Hahne, rechne ziemlich fest damit, unter den Amnestierten zu sein. »Normalerweise wird man schon ein paar Wochen nach der Urteilsverkündung in den Strafvollzug überführt. Bei mir liegt die Posse nun schon länger als zwei Monate zurück und ich bin immer noch hier.«
    »Und woher hast du von dieser Amnestie erfahren?«
    Hahne klopfte an die Wand. »SOS – rettet unsere Seelen! Was meinste, aus welchem Grund sonst die Zellen hier zurzeit so unterbelegt sind?«
    Zum ersten Mal bereute Lenz, nicht auch geklopft zu haben. Dann hätte er von Anfang an gewusst, wo er sich befand, und vielleicht schon früher etwas über diesen Dr. Vogel erfahren.
    »Mach dir nichts draus! Was nützt mir diese beschissene Amnestie? Glaubste etwa, die lassen mich in meine Redaktion zurück? Ins Stahlwerk stecken se mich oder in den Braunkohlentagebau … Na ja! So oder so, bin ich draußen, bin ich an der Grenze. Und klappt das nicht, lernen se mich kennen. Dann pisse ich ihnen so lange auf ihre Glatzen, bis ihnen Hörner wachsen und alle Welt erkennt, was für Teufel sie sind.«
    Mit Hajo Hahne war Wind in die Zelle geweht. Hahne sprach viel, war neugierig und hatte Ideen. Aus feuchtem Klopapier formte er Bälle, mit denen sie um die Pritschen herum Fußball oder Handball spielen konnten, aus wassergetränktem Brot

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