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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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ziehen, dann fragte sie neugierig: »Und das sagst du so einfach? Ins Telefon? Vielleicht wird unser Gespräch ja abgehört.«
    »Na und?«
    Eine Weile blieb alles still und Lenz wollte sich schon verabschieden, da sagte Franziska plötzlich leise: »Jos Tod hat mir euch gegenüber ein schlechtes Gewissen gemacht. Hätt euch schon längst mal besuchen müssen, oder?«
    Er sagte, sie sei herzlich eingeladen, und sie versprach, mal zu kommen, dann war das Gespräch beendet. Lenz legte auf und sah, dass Silly und Micha die ganze Zeit hinter ihm gestanden hatten. »Wer war denn das?«, wollte Silly wissen.
    »Eure Tante Franziska aus Frankfurt. Sie kommt uns vielleicht mal besuchen.«
    »Kommt Onkel Jo dann auch mit?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Und warum nicht?«
    Silke hatte etwas mitbekommen, er sah es ihr an. »Er ist krank, sehr krank.«
    »Was hat er denn?«
    »Das weiß niemand so ganz genau. Irgendwas mit der Seele.«
    Er wollte sich abwenden, Silkes große blaue Augen aber ließen ihn nicht los. Sie spürte, dass er ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte.
    »Kann man daran sterben?«
    »Ja.«
    »Ist er schon tot?«
    Da nickte er nur noch, nahm Micha auf den Arm, der gespannt gelauscht hatte, aber noch nicht so ganz begriff, um wen und was es eigentlich ging, und sagte: »So! Du bist der Kleinste, du darfst bestimmen, was es heute zum Abendbrot gibt.«
    Micha war für Rührei, und Silke schickte sich drein, hatte nun anderes zu denken, sah den Vater nur immer wieder prüfend an; fast so, als verspürte sie eine Vorahnung von all dem, was aus diesem ersten Telefonat mit der ihr unbekannten Tante noch werden sollte.
    Nur wenige besaßen Telefon. Als Außenhändler waren Hannah und Manfred Lenz bevorzugt behandelt worden. Wichtige Leute mussten auch zu Hause erreichbar sein. Aber was, wenn sie kein Telefon besessen hätten? Wäre dann alles anders gekommen?
    An jenem Tag, an dem Fränze Lenz die Nachricht von Jos Tod übermittelte, kam Hannah erst spät nach Hause; viel zu spät, um noch in den Plänterwald hinauszufahren. Sie beschlossen, gleich am nächsten Morgen – einem arbeitsfreien Sonnabend – die Benachrichtigungstour zu H.H.M. hinter sich zu bringen. Aber natürlich schlief Hannah in dieser Nacht nicht und auch Lenz bekam lange kein Auge zu. Er hatte viel mit Silke reden müssen – über den Tod und warum auch Menschen sterben mussten, die noch nicht richtig alt waren – und dabei immer wieder an seine eigenen Kinderfragen denken müssen.
    Auch Hannah blickte in die Vergangenheit zurück: der große Bruder, auf dessen Schultern sie im Schwimmbad Reiterkämpfe ausgetragen hatte, der große Bruder, der für die kleine Schwester Kirschen stahl, ihr Kinokarten schenkte, ihr von fern seine ersten Freundinnen zeigte; ihr Ritter und Retter, mit dem sie anderen Kindern drohen konnte. Manchmal aber, so gestand sie Lenz in dieser Nacht, habe sie Angst vor Jo gehabt. »Er war als Kind gern grausam, hat Tiere gequält. Ich hab das nie verstanden. Es war, als hätte er Spaß daran gehabt, an Wesen, die ihm unterlegen waren, seine Macht zu beweisen.«
    Der Schwache, der sich an noch Schwächeren abreagiert und am Ende auch noch Gleichgesinnte findet! Nur nicht daran denken, was aus einem Johannes Möller geworden wäre, wäre er dreißig Jahre früher geboren.
    Am nächsten Tag begrüßten die Kinder die Großeltern nur kurz, dann liefen sie auf den Spielplatz und Lenz konnte von Franziskas Anruf berichten.
    Als Erstes machte H.H.M. in seinem Sessel nur eine abwehrende Handbewegung: »Selber schuld!« Zwei Worte, die er danach noch ein paar Mal wiederholte und variierte, wie um alle Anwesenden und sich selbst davon zu überzeugen, dass er am Niedergang seines Sohnes keinen Anteil hatte: »Eigene Dummheit! Zu schwach! Nicht lebensfähig!« Mutter Hilde hingegen brach in heftigste Tränen aus. »Mein Sohn! Mein lieber, lieber Sohn!« Ein solcher Ausbruch gehörte sich wohl für eine liebende Stief- und Ex-Schwiegermutter.
    Als H.H.M. und seine Hilde sich ein bisschen beruhigt hatten, beschlossen sie, gemeinsam zur Beerdigung zu fahren, falls ihnen die Trauerreise gestattet wurde.
    Lenz, zu H.H.M.: »Und was ist, wenn sie dich drüben festnehmen – wegen der Sache von damals?«
    »Die Geschichte ist inzwischen verjährt. Deswegen tut mir keiner mehr was.«
    Hannah, sehr vorsichtig und dabei lächelnd, als wollte sie ihrer Frage einen Anstrich von Scherzhaftigkeit geben: »Und? Werdet ihr wiederkommen?«
    H.H.M.:

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