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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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Arbeiten, die noch mit der Abendpost rausgehen sollten –, Lenz stand mit Silke und Micha in der Küche und diskutierte das Abendbrot – drei Mägen, drei Wünsche –, als das Telefon klingelte. Silly rannte hin und kam ganz verstört zurück: »Da ist eine dran, die sagt, sie wäre meine Tante. Dabei kenn ich die gar nicht.«
    Es war Franziska. Auch Lenz kannte seine Schwägerin noch nicht, hatte nie zuvor ihre herbe, kräftige, fast ein wenig männliche Stimme gehört. »Hallo! Du bist der Manfred, nicht wahr?«, redete sie gleich auf ihn ein, nachdem er den Hörer übernommen hatte. »Ich bin die Fränze – Franziska – Hannahs Schwester! Wirst ja schon von mir gehört haben.«
    »Hab ich.«
    Ein heiseres Lachen. »Hannah ist wohl nicht da?«
    »Leider nein.«
    »Dann muss ich dir die traurige Geschichte erzählen. H.H.M. hat ja leider kein Telefon. Und ob ich noch mal durchkomme, weiß ich nicht. Ist ja mit euch, als wollte man mit dem Kreml telefonieren.«
    Er sagte, er sei ganz Ohr, und da erzählte sie ihm, dass ihr Bruder Jo gestorben sei. Man habe ihn in seiner Wohnung gefunden, er habe schon ein paar Tage so dagelegen.
    »Das tut mir Leid.« Eine Floskel, aber was hätte er denn sonst sagen sollen? Die plötzliche Nachricht von Jos Tod erschütterte Lenz mehr, als er in diesem Augenblick ausdrücken konnte.
    »Schlimme Sache!« Franziska sog die Luft ein – sicher hielt sie eine Zigarette in der Hand – und erzählte Lenz, was er schon wusste: dass Jo schon als ganz junger Bursche gesagt habe, er werde mal nicht alt werden, sein Herz sei zu klein, er sei als Kind zu schnell gewachsen. Nach ihrer Meinung eine Selbstdiagnose, von keinem Arzt bestätigt. »Irgendwie hat er aber immer darauf hingearbeitet, Recht zu behalten, und zum Schluss die Wette ja nun auch gewonnen.« Sie begann auf den toten Bruder zu schimpfen. Gaby und er hätten sich von Mutter Hilde nicht in diese Ehe drängen lassen sollen. »War ja kein Funken echter Liebe zwischen den beiden, da mussten sie sich zum Schluss ja hassen.« Sie erzählte, dass Gaby sich schon vor Jahren von Jo hatte scheiden lassen, was Lenz ebenfalls schon wusste, und dass der Verkauf des Möller’schen Hauses dazu herhalten musste, alle inzwischen angehäuften Schulden zu bezahlen.
    »Von da an ging’s bergab. Mal irgendeine Arbeit, mal keine. Aber immer Schnaps in der Tasche, Schnaps und Tabletten. Der Junge hatte einen Halt gesucht und keinen gefunden. Auch bei mir nicht. Asche auf mein Haupt, aber die liebe Fränze ist nun mal auch nur ’n Mensch! Hab monatelang Obdachlosenquartier gespielt, dann hab ich ihn rausgeschmissen … Dachte, das hilft am besten. Hilfe zur Selbsthilfe und so ’n Schmonzes hab ich mir eingeredet … Na ja, der Hauptgrund war ein anderer: Am Schluss hat er gesponnen, der Jo. Da ist er in einer irgendwo abgestaubten Bundesbahnuniform mit selbst gebastelten Phantasie-Rangabzeichen rumgelaufen, hat sich überall mit Herr Obersekretär anreden lassen und ist in seinem Dämmer auch noch jeden zweiten Tag zur NPD gerannt. Wurde sogar Mitglied bei denen. Sohnematz auf Vaters Spuren! Das war zu viel für Fränze, da kochte der Brei über. Hätt ich gewusst, was draus wird, hätte ich ihn natürlich bei mir behalten. Obwohl das natürlich auch keine Dauerlösung gewesen wäre: Große Schwester adoptiert kleinen Bruder!«
    Sie redete so viel, um ihre Traurigkeit zu verbergen, war voller Schuldgefühle. Lenz dachte an den riesigen, schwachen Jo, den er immer so gemocht hatte, und fragte sich, inwieweit H.H.M. seinen Sohn auf dem Gewissen hatte. Konnte ein Vater seinen Sohn dermaßen beeinflussen, dass der nicht mehr genügend Luft zum Atmen bekam? Hätte H.H.M. mehr für Jo tun müssen? Und wenn ja, was hätte er tun können?
    Franziska redete weiter, bis er sie endlich unterbrach: »Du, das ist kein Ortsgespräch.«
    Sie lachte leise. »Ich babbel – und ich zahle! Also mach dir keine Sorgen um meine Telefonrechnung.« Dennoch kam sie langsam zum Ende: »Sagt ihr bitte Papa Möller Bescheid? Und seiner lieblichen Hilde?«
    »Natürlich.«
    »Ich werd noch zwei behördlich beglaubigte Telegramme schicken, eins an euch, eins an die Altvorderen. Man hat mir gesagt, so was braucht ihr, wenn ihr zur Beerdigung kommen wollt.«
    »Gut.«
    »Und? Was meinst du, werdet ihr kommen können?«
    »Euer Vater und seine Hilde ganz bestimmt. Sie sind ja nun Rentner. Davon haben wir lieber weniger als zu viele.«
    Wieder hörte er sie an ihrer Zigarette

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