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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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bereits gegen Abend, so ihr Rumpelstilzchen, würden sie mit einem Sammeltransport in eine andere Strafvollzugsanstalt verlegt werden.
    Welch erlösende Botschaft! Lenz durfte wieder auf Brandenburg, Bautzen oder Cottbus hoffen, und Dettmers freute sich ebenfalls: »Sag mal, konnte dein Hajo Hahne übers Wasser laufen?«
    Ein Tag des Wartens. Während der Freistunde wurde getuschelt: Was hieß »am Abend«? Später Nachmittag? Früher Abend? Mitternacht? Kaum waren sie wieder auf ihren Zellen, ging es schon los, alle mussten sie ihre Utensilien zusammenraffen und sich in einem riesigen, fensterlosen Verwahrraum »zwischenlagern« lassen; ein Raum, in dem sich bald vierzig, fünfzig Strafgefangene versammelt hatten und in dem die Luft schon nach kurzer Zeit zum Schneiden dick war, so viel wurde gequalmt. Das große Wort führten hier die Kriminellen, für die das alles nichts Neues war; die politischen Häftlinge blieben beieinander und hörten zu. So erfuhren sie, dass ihnen noch vor dem Transport mitgeteilt würde, wer in welche Strafvollzugsanstalt kam, und dass jene, die nach Brandenburg oder Bautzen verlegt wurden, zu bedauern waren, weil das Knäste der Einser-Kategorie wären, also der schwersten. Die Cottbuser hingegen erwarte eher ein leichtes Los, mittelschwerer Vollzug mit ständigem Festverschluss.
    Gespräche, die Lenz gleich wieder zutiefst deprimierten: Was hatte er in einer dieser Kategorien verloren?
    Dettmers sah ihm sein erneutes Niedergedrücktsein an und bat ihn, wenn es erst so weit war und man ihnen mitteilte, in welchen Knast sie kommen würden, im entscheidenden Moment beide Daumen zu drücken und fest »Cottbus!« zu denken. Er wolle das auch tun und auf diese Weise würden sie ganz sicher auch zukünftig zusammenbleiben.
    Gegen zwanzig Uhr wurde die Zellentür dann endlich geöffnet und vier, fünf Blaue traten in den Raum: »Raustreten zum Transport.«
    Wenige Minuten später waren sie im von Scheinwerfern erhellten Hof angetreten. Zwei grüne Minnas standen in Bereitschaft. Die einzelnen Namen wurden aufgerufen und hinter jedem eine Stadt genannt: Brandenburg, Bautzen, Cottbus. Als Dettmers Name fiel, drückte Lenz tatsächlich beide Daumen und dachte: Cottbus! Und es wirkte! Als wenig später Lenz’ Name aufgerufen wurde, hielt Dettmers ihm seine in den Fäusten verborgenen Daumen unter die Nase – und es klappte erneut: Cottbus! Ihre gemeinsame Reise von Burgas über Sofia, Berlin-Hohenschönhausen und Rummelsburg ging weiter.
    In der grünen Minna, die Lenz und Dettmers zu besteigen hatten und mit der man sie, wie die Kriminellen wussten, zum Ostbahnhof fahren würde, herrschte bald eine fröhliche Stimmung. Na, was denn, die paar Monate oder Jahre, die man ihnen diesmal aufgebrummt hatte, würden sie auf einer Arschbacke absitzen, gaben die Herren Ganoven sich locker. Und saß man draußen denn etwa nicht mit dem nackten Arsch im Schnee? Na also! Nur kein Mitleid mit sich selbst!
    Besonders für die jüngeren Kriminellen schien das Ganze nur so eine Art Betriebsausflug zu sein. Über jeden Mist krähten sie laut, jedem wollten sie mitteilen, wo sie schon überall gesessen hatten und wofür sie diesmal einsaßen. Je höher ihre Strafe, desto bedeutsamer ihre Rolle.
    Der Motor war schon angelassen, da wurden auch noch zwei junge Frauen zu ihnen hineingeschoben. Strohblond gefärbt die eine, schwarz die andere. Doch es musste schon lange her sein, dass sie sich das Haar zum letzten Mal auffrischen konnten. Bei der Schwarzen schimmerte jede Menge Helles durch, bei der Blonden Dunkles. Beide wirkten sie irgendwie ungewaschen und so waren auch ihre Reden. »Ihr Hühnerficker!«, gingen sie die Männer vom Wachpersonal bereits beim Einsteigen an. »Euch ist doch noch keiner gewachsen. Beweist erst mal, dass ihr was in der Hose habt, bevor ihr hier die großen Macker spielt.«
    Begeistertes Gegröhle unter den Kriminellen, müdes Abwinken der Beamten; offenbar konnten solche Reden sie schon lange nicht mehr erschüttern.
    Die beiden Frauen kamen aus dem Frauengefängnis Barnimstraße und waren nur zum Weitertransport nach Rummelsburg gebracht worden. Dass sie als einzige »Weiber« mehrere Stunden unter weit mehr als tausend »ausgehungerten« Männern verbracht hatten, beschäftigte sie immer noch. »Was da alles hätte passieren können!«
    Neben Lenz saß ein bleicher junger Mann mit auftätowierter Pennerträne unter dem rechten Auge. Lange blickte er Lenz und Dettmers nur verwundert an;

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