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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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Arbeitsplätze und rührten keine Hand. Auf die Ermahnungen der Zivilmeister antworteten sie stur, sie seien politische Gefangene, die nach internationalem Recht nicht zur Arbeit gezwungen werden dürften; schon gar nicht zu einer solchen Schufterei, die an frühkapitalistische Arbeitsbedingungen erinnerte. Außerdem würden sie den Staat, der ihnen ihr Menschenrecht auf Freizügigkeit genommen hatte, nicht auch noch unterstützen, indem sie für ein paar Pfennige Lohn für ihn arbeiteten. Sie seien ja nicht blöd, sie wüssten, dass die Pentacon -Kameras dem Staat Devisen brachten.
    Die hilflosen Zivilmeister informierten die Strafvollzugsbeamten, die kamen und zogen die Augenbrauen hoch. Politische Häftlinge wollten sie sein? So ein Unfug! In der DDR gebe es doch überhaupt keine politischen Häftlinge. Sie, die Strafgefangenen, hätten kriminelle Handlungen begangen; folglich seien sie Kriminelle und nichts anderes.
    Essensentzug – Arbeiter erhielten A-Kost, Nichtarbeiter B-Kost – und, falls das nicht wirkte, Arrest bei Wasser und zweihundertfünfzig Gramm Brot am Tag hießen die Strafen. Die meisten, darunter auch Dettmers, hielten das nicht lange durch. Entweder weil es ihnen als Nichtverdiener schon bald an Tabak mangelte und sie die Solidarität ihrer Mitgefangenen nicht ewig strapazieren konnten oder weil ein dreiwöchiger Aufenthalt in der Arrestzelle sie zur »Einsicht« gebracht hatte.
    Lenz arbeitete nicht gezwungenermaßen und nicht wegen des Verdienstes. Er arbeitete, weil er abends müde sein wollte. Tagsüber abgelenkt sein, nachts schlafen können war das Einzige, was gegen die ewige Grübelei half. Doch tat er nicht mehr, als er unbedingt musste; über neunzig Prozent der Norm kam er nicht hinaus. Das waren zwölf Mark im Monat, die reichten für zwei Päckchen billigsten Tabak, einhundertfünfzig Blatt Zigarettenpapier, ein Glas Marmelade, ein Stückchen Speck, zwei Zwiebeln.
    Nichtraucher hatten es besser; Tabak war die Leitwährung. Wenn am Ende des Monats niemand mehr etwas zum Qualmen hatte, konnte man für Tabak alles andere eintauschen und auch noch die Preise bestimmen.
    Zum Glück für Lenz war die Feilerei schon nach vier Wochen beendet. Der Erziehungsbereich IV wurde fortan in der Stanzerei eingesetzt. Auch keine sehr abwechslungsreiche Arbeit, diese acht Stunden an der Stanze. Bald schmerzten Beine und Rücken, der Verstand setzte aus, und die Ersten sehnten sich an ihre Feilen zurück, die nun andere, neu eingetroffene Häftlinge in den Händen hielten. Lenz aber stand noch keine drei Stunden an der Stanze, da kam der große, kräftige Obermeister mit dem Metzgergesicht und fragte nach einem Gefangenen, der Erfahrungen als Arbeitsvorbereiter hatte. Sofort hob Lenz die Hand.
    »Haben Sie denn schon mal als Arbeitsvorbereiter gearbeitet?«
    »Selbstverständlich! Sonst hätt’ ich mich doch nicht gemeldet. Ist nur schon ziemlich lange her.«
    »Und was haben Sie seither gemacht?«
    Lenz ratterte seinen Werdegang herunter, der Metzgermeister war beeindruckt. »Na, dann versuch ich’s mal mit Ihnen.«
    Ein Job zum Aushalten; eine Arbeit, die innerhalb weniger Stunden zu erlernen war. Die kleine Lüge hatte sich gelohnt. Was hatte er denn als Arbeitsvorbereiter groß zu tun? Er stellte die Werkzeuge zusammen, die die Gefangenen an den Bohrern und Stanzen für die einzelnen Fertigungsgänge benötigten, händigte ihnen ihr Arbeitsmaterial aus und nahm nach Schichtende alles wieder zurück. Er schrieb Arbeitsaufträge aus und notierte die erbrachten Leistungen, war von keiner Norm abhängig und verdiente achtzehn Mark im Monat. Er saß in einem großen, fensterlosen Raum voller Regale mit Materialien, Werkzeugen und Maschinenteilen und konnte von seinem Schreibtisch aus die Tür im Auge behalten. Kam ein Schließer oder Zivilmeister, täuschte er Geschäftigkeit vor, kam ein Gefangener, um sich einen neuen Auftrag zu holen, gab’s einen kleinen Plausch.
    So lernte Lenz die Häftlinge aus dem Erziehungsbereich IV mit der Zeit immer besser kennen, gaben sie sich doch, waren sie mit ihm allein, oft ganz anders als in der Gruppe. Von manch einem erfuhr er im Lauf der nächsten Wochen das ganze Leben.
    Einer der populärsten und beliebtesten Mitgefangenen war ohne Zweifel der gerade mal zwanzigjährige Heiner Braun, der auf Dettmers Zelle lag und den alle nur Eri nannten – wie Erika. Ein mittelgroßer, kräftiger Kerl mit ziemlich großem, brünettem Schädel, der weder schwul war noch

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