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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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tranken sie ein bißchen, kifften ein bißchen und behielten, soweit es eben ging, die Kontrolle. Und wenn sich ein paar Typen zu ihnen gesellten, fanden sie schnell den passenden Ton, und die Typen spürten bald ihr wunderbares Ich und gaben sich selbstzufrieden und lässig. Daß sie womöglich um nichts einzigartiger waren als die Heuschrecken oder die Beutelwölfe, interessierte sie nicht. Es ging um die Sache. Es ging um sie selber.
    Als Willem morgens auf der Pritsche lag, mußte er feststellen, daß auch er sich im Grunde nicht von dem Gefühl der Einzigartigkeit lösen konnte. Hinterm Fenster zwischen den Blättern und stacheligen Früchten sah er den Himmel; er hörte die Vögel und dahinter die Stadt. In der Küche diskutierten Abeba und Stirner, und alles, was er ringsherum wahrnehmen konnte, schien seine Einzigartigkeit zu bestätigen. Solange es andere gab und etwas anderes, meinte er, ließe sich dieses Gefühl nicht so einfach wegdenken.
    Während er frühstückte, kam eine fremdländisch aussehende Frau in die Küche und stellte eine Kiste mit Gemüse auf den Tisch. Sie hieß Marisol und wohnte in der Kommune.
    Nach dem Frühstück half er ihr dabei, das Gemüse zu schneiden. Er sah, wie sorgsam die Frau dabei vorging. Sie streichelte den kleinen Kürbis oder die Tomaten, und zu jedem Stück wußte sie etwas zu erzählen. In ihrem Tonfall und den anders geformten Sätzen schwangen Urerlebnisse mit, die die Generationen ihres Volkes miteinander verbanden. Für die Diktatoren und Imperialisten in ihrem Land jedoch seien diese Geschichten nur eine Rechtfertigung mehr, die alte Kultur auszurotten. Diese Menschen zerschossen Kürbisse und pimperten Melonen, und gegen das Volk, sagte Marisol, gingen sie nicht anders vor.
    Sie war eine ehemalige Ordensschwester, und ihren ersten Guerilleros war sie in einem Feldlazarett im guatemaltekischen Urwald begegnet. Es waren Jungs, kaum älter als Willem, und sie lagen da mit Schußwunden und dachten nicht daran zu sterben. Sie wollten weiterkämpfen, für ihre Familien, für das Volk. Gegen Diktatur und Imperialisten, und noch wenn Marisol ihnen zuletzt die Augen zudrückte, schienen sie weiterkämpfen zu wollen.
    Marisol hatte die Schwesterntracht schließlich gegen Camouflage getauscht. Sie holte einige Photos aus ihrer Tasche hervor, und Willem wußte nicht, was er sagen sollte. Guevara und Castro waren zu sehen, und einmal lächelte Marisol zwischen den beiden Männern. Für Willem war es ein seltsames Gefühl. Als wäre die Frau herausgeschnitten aus einem Stück Weltgeschichte; als säße die Weltgeschichte mit am Tisch und noch die unterdrückten Völker.
    Als sie Che ermordeten, sagte Marisol, habe sie eine Fehlgeburt erlitten. Danach habe sie sich nach Europa eingeschifft. Doch der Kampf gehe weiter.
    Willem saß stumm da; seine Mutmaßungen zur Stellung des Menschen erschienen ihm plötzlich unreif und maßlos. Er schämte sich.
    Später zeigte sie ihm, wie er Jalapeño- oder Mulato-Chilis bearbeiten mußte. Die Schärfe drang durch seine Haut, er atmete sie ein, und Marisol knetete derweil eine Masse aus Maismehl und Wasser. Bald formte sie Bällchen und drehte sie zwischen den Händen zu Fladen. Ein uraltes Handwerk, dachte Willem, und wahrscheinlich konnte diese Frau auch jagen und waiden. So sah er das Wissen ihrer Hände, erspähte Schimmer ihrer indianischen Haut und Tiefe und Schönheit ihrer alten Kultur.
    Sie zeigte Willem, wie man die Fladen auf ein heißes Blech legte, und er wendete sie regelmäßig. Marisol warf die Chilis in eine heiße Pfanne, es zischte und dampfte, und die Schärfe drang ihm jetzt durch alles. Er sah, wie die Haut von den Chilis platzte, wie die Schoten bald Blasen schlugen, spürte seinen Schweiß. Marisol stand am Feuer, ihr Körper wie eine Vision hinterm Rauch. Sie gab das Gemüse in einen irdenen Topf, sie rührte, sie stampfte, der Rauch wie ein Nimbus, im Rauch die Erscheinungen aus einer anderen Welt. Bald war das Gemüse zu einer Pulpe eingedickt, und sie gab die Chilis dazu. Willem stapelte die Fladen zu einem Turm, und Marisol hackte Koriander. Als sie zu Tisch saßen, leuchteten die Chilis wie Glut aus dem Topf. Die Fladen waren angeröstet und lagen geschmeidig in der Hand; Willem gab Pulpe dazu, und es war ein Erlebnis für ihn. Er rollte den

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