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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Zeit.
    Barbara lachte. Du bist gut. Willem verzerrt und Willem ist schuld. Aber was, wenn deine Prägungen ihn verzerrt haben?
    Ach, Kindchen. Dein Mann verzerrt die Welt ganz allein aus sich selber heraus; er entstellt sie, entartet sie, und das war schon immer so. Ausgerechnet die übelsten Eigenschaften seines Vaters hält er aufrecht.
    Willem hat sich etwas sehr Kostbares aus der Zeit mit seinem Vater erhalten.
    Du redest.
    Eine Seele in Sonnenschein und Vogelsang. Noch gegen deine Höllenhunde.
    Du kennst unsere Vergangenheit nur aus seiner Erinnerung.
    Und du bist Willems Mutter.
    Gesorgt! Geholfen! Geopfert! Ich weiß, wie er diese Worte mit seiner Sprache entstellt!
    Nicht mehr als jeder von uns. Und so hat auch jeder eine volle Stimme.
    Nein!
    Doch.
    Abendlicht fiel in den Spitzgiebel; die Schatten der Fensterkreuze verschoben die rechtwinklige Ordnung, der Säulenkaktus zerflimmerte, und die Landschaft von Jawlensky vertiefte und öffnete bald neuen Raum.
    Ein Knistern kam noch aus den Boxen, dann fuhr der Tonarm hoch. Als Willem zum Plattenregal wollte, hielt Barbara ihn zurück.
    Sie hatte die Beine angezogen und lag auf seinem Schoß.
    Bald spürte sie wieder seine Hand, und rings die Dinge erschienen wie beseelt, sickerten ein, und sie schloß die Augen. Der Klang seiner Stimme hielt alle Außenwelt fern, und gemeinsam fielen sie zurück in warme Abendröte.
    Später waren sie im Bad.
    Barbara beugte sich vornüber, ihr nasses Haar berührte die Füße; dann warf sie den Kopf zurück, fing das Haar und wickelte es in ein Handtuch.
    Willem saß und pinkelte. Der Turban um ihren Kopf gefiel ihm, und als sie sich zu ihm drehte, war ihr Gewicht auf einem Bein und die Hüfte vorgeschoben. Er sah das Ebenmaß ihrer Nacktheit; den Abstand zwischen den Brüsten, das Maß vom Busen bis zum Nabel und vom Nabel bis zur Gabelung ihrer Beine.
    Mit den Alten kann man nicht demokratisch zusammenarbeiten. Egal, wen wir auswählen, sie werden sich dagegenstellen. Aus Prinzip.
    Das glaube ich nicht, Willem.
    Du bist so optimistisch.
    Weil ich dich habe.
    Bei der Vorauswahl war Barbara überrascht, daß die Alte aus den Bewerbungen genau die herauspickte, die sie selber favorisierte. Doch die Alte konnte darin nichts Unverhofftes sehen; sie lächelte bloß und flüsterte ihr zu, daß sie von Anfang an gewußt hätte, welche Art Mensch mit Barbara in die Familie käme, und daß unterschiedliche Ansichten niemals zu unüberbrückbarer Entfernung führen würden. So legte sie der Jüngeren eine Hand auf die Schulter, lächelte milde, und es war, als führten die Frauen den Rat.
    Auf ihre Anzeigen hin waren zahlreiche Bewerbungen eingegangen, und während sie gemeinsam um den Tisch sortierten, schien Gleichberechtigung nie ein Thema gewesen zu sein. Sie gingen eine offene Runde an, und vor allem die Frauen konnten dabei wie ein konstruktives Bündnis erscheinen; die Männer sprachen sich während des Durchlaufs nicht ein einziges Mal für einen gemeinsamen Anwärter aus, und oft genug verblieben sie mit ihrem Fürspruch gänzlich allein. Willem konnte sehen, wie Kronhardt unter so einer Entblößung litt; seine Fehlentscheidungen wurden aussortiert, und er hatte keine Möglichkeit mehr, so zu tun, als ob er die Eigenschaften, die die Frauen bei ihren Favoriten ausgemacht hatten, ebenfalls erkannt hätte. Er bemühte sich um aufrechte Haltung, verfiel in Scherze, über die keiner lachte, und bald entglitt ihm sein nach außen hin so gepflegtes Patriarchengehabe, und er warf Willem gehässige Blicke zu.
    Die Vorstellungsgespräche wurden auf zwei Tage festgesetzt, und Willem war dafür, sie in der Miniküche abzuhalten. Als er seine Position begründet hatte, demontierte Kronhardt alle Erklärung und blickte dann erwartungsvoll zu den Frauen.
    Die Alte sah zu Barbara. Was sagst du?
    Ich kenne Willems Miniküchenkonzept und stehe dahinter.
    Und so bekamen die ausgewählten Bewerber ihren Stuhl im Brennpunkt der Deckenstrahler; rings die Augen mußten wie gebündelte Sektion erscheinen, Mitesser offenbarten sich, rote Skleren und Schweiß, und in der Distanzlosigkeit versagten vertraut geglaubte Fähigkeiten und Selbstbilder.
    Zum Wochenende wollten sie die drei aussichtsreichsten Bewerber bestimmen, und die Alten wünschten, daß diese Gespräche bei ihnen stattfanden. Weil Barbara

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