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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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und an den Wänden teuer gerahmte Drucke schweineteurer Zeitgenossen. Und wo ehedem Achim-das-Tier hantierte, sieht Willem jetzt eine Frau. Sie gibt eine Kombination in eine Eiswürfelmaschine, und aus drei Löchern spuckt die Maschine dreimal gehacktes Eis, und genauso klingt die Musik.
    Im ewigen Kunstlicht der Szene erscheint die Frau ein bißchen angepunkt, doch als Willem auf einen Hocker steigt, ahnt er die Boutiquen und Visagisten hinter dem Retro.
    Er gibt sich zufällig, grüßt, entdeckt in dem vollen Regal zwei, drei gute Singles, und dann läßt er den birnigen Duft eines Clynelish in seine Nase; der Abgang ist geschmeidig, entfaltet sein Feuer erst im Schlund, und er läßt es brennen.
    Auf dem letzten Tisch liegt ein Telefon, daneben eine Zigarrenhülse. Ein Rauchball steht in der Luft und verhüllt den Kopf eines Mannes.
    Willem setzt sich. Wir haben telefoniert.
    Aus dem Rauchball kommt das Kichern. Mit wem ich schon alles telefoniert hab.
    Kommen wir zur Sache.
    Dann tauchen die Pupillen auf; groß und starr, wie es scheint. Und wenn Ihnen die Sache gar nicht guttut?
    Willem stößt auf, und zuletzt setzen sich Pita und Ouzo gegen den Whisky durch.
    Zur Sache also, und der Mann kichert. Als Geschäftsmann hör ich so was gern. Aber ich will auch ehrlich sein: Was ich zu verkaufen hab, das kann Sie glattweg aus den Socken haun.
    Er winkt nach der Edelpunkerin und bestellt ein Tonic. Sie auch was?
    Ich habe wenig Zeit.
    Und der Mann kichert.
    Dann sagt er: Mein Name ist Burke.
    Er ist jünger als Willem und hat ein gebräuntes, gut unterfüttertes Gesicht. Gepflegt, die welligen Haare sind nach hinten frisiert und zusammengebunden. Eine kompakte Erscheinung mit Ethnokette und modischer Kapuzenjacke.
    Richard Kronhardt, sagt er. Gestorben auf der Alk. Festgestellte Todesursache: paradoxe Embolie. Punkt, und soweit kalter Kaffee. Aber was, wenn der Kaffee plötzlich aufbrodelt, weil Ihr Alter nie und nimmer wegen der Embolie ins Gras gebissen hat – na!, und wieder schlägt der Mann mit der Zunge. Da sehn Sies. Genau das nämlich kann ich beweisen. Und diesen Beweis laß ich mir bezahlen. Logisch, oder. Und legal. Mein Anwalt setzt einen Vertrag auf über den Verkauf von Familienpapieren, und wenn wir das Geschäft abwickeln, sitzt er dabei. Sie wolln nich die Katze im Sack, und ich will keine Schererein.
    Familienpapiere also, sagt Willem.
    Der andere lehnt sich zurück. Sein Mund wirkt fleischig und unverschämt.
    Burke also. Willem schnalzt einmal, dann kichert er. So kann sich doch jeder nennen. Und er steht auf und wendet sich ab.
    Der andere flüstert jetzt. Als die Pathologen Ihren Alten aufmachten, deutete zuerst alles auf Embolie. Doch ein Jungarzt deckte dahinter Anomalien auf und schaltete die Gerichtsmedizin ein. Dann Kripo, Tageszeitung, Sie wissen schon. Bis ein Arztkollege aus dem Hintergrund die ganz ähnlich gelagerten Berichte aus einer Fachzeitschrift ins Spiel brachte, worauf ein Richter die Embolie als Todesursache amtlich machte. Bis heute. Aber was – und die Stimme des Mannes wird dramatisch leise. Was, wenn dieser Jungarzt doch auf der richtigen Spur war? Und der schemenhafte Arztkollege mit dem Tip jemand war, der die Wahrheit bis heute verschleiern will?
    Willem dreht sich wieder um. Die Augen des Mannes wirken unberechenbar, das gebräunte, gut unterfütterte Gesicht seltsam zusammengesetzt. Doch Willem kann nicht sagen, was falsch ist.
    Er stützt sich auf den Tisch und sagt: Zeigen Sies her.
    Burke schlägt mit der Zunge und wedelt mit dem Zeigefinger. Dann sagt er: Nina, und die Edelpunkerin bringt einen Clynelish.
    Burke dampft, bis sein Gesicht im Rauch verschwindet. Mein Opa, sagt er. Lehnt sich zurück, schlägt ein Bein über, und Willem ahnt den unverschämten Ausdruck.
    Mein Opa hat sozusagen Geschichte gesammelt. Zuerst hatte er den Schuppen, dann nahm er den Boden dazu, und zuletzt war alles voll. Alles wie rausgerissen; ein wilder Haufen Vergangenheit, verstehn Sie. Seelenloser Epochenschrott, bis rein ins Klo.
    Willem spürt die Augen durch den Rauch. Verstehe, sagt er.
    Nix verstehn Sie. Weil das in Wirklichkeit nämlich ganz anders war.
    Verstehe.
    Der Mann is ja n Oberschlauer, und Burke kichert. Dann mit der härteren Stimme: Der ganze Krempel schien ohne Zusammenhang, die Geschichte von jedem Stück unwiederbringlich verloren. Doch in Wirklichkeit war das anders. In

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