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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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hebt die Schultern.
    Wie heißen Sie denn?
    Leysieffer.
    Nie gehört.
    Und Willem lacht. Immerhin. Und dann: Wie stehts mit dem Kaffee?
    Latte? Cappu?
    Willem macht eine hilflose Geste, der Mann drückt eine Kombination und stellt einen schlanken Becher unter die Maschine.
    Danke.
    Was sind Sie denn für ein Politiker?
    Einer wie alle.
    Ihr Gesicht kenn ich auch nicht.
    Die meisten von uns agieren verdeckt. Wie wir unsere Fäden ziehen, kriegt die Öffentlichkeit erst mit, wenn nichts mehr rückgängig zu machen ist.
    Der Mann kratzt sich am Kopf. Das soll ich glauben?
    Ich bin als Privatmann hier und habe das Recht wie jeder in unserem Land. Wenn Sie mich deswegen in die Pfanne hauen wollen, bitte schön. Ich habe die Schnauze so voll, ständig als Politiker gesehen zu werden und niemals als Mensch. Das habe ich gestern auch schon zu Nina gesagt.
    Der Mann sieht Willem an, sagt nichts.
    Wann arbeitet sie wieder?
    Wer?
    Nina.
    Was weiß ich.
    Sie müssen doch so was wie einen Dienstplan haben.
    Ich kenn nur meine Schichten.
    Und die anderen?
    Wenn jeder seine Schichten kennt, reicht das.
    Verstehen Sie. So wie gestern mit Nina habe ich seit Jahren nicht mehr gequatscht. Nichts Großartiges, aber einfach das Gefühl, wie jedermann zu sein. Und ich würde gerne wiederkommen, wenn sie hier ist. Vielleicht können Sie mir ihre Nummer geben.
    Ich hab keine Nummer.
    Wenns sein muß, kann ich auch was drehen. Für Nina, den Laden, wie auch immer.
    Hier muß nichts gedreht werden.
    Willem legt Geld auf den Tisch, macht ein hilfloses Gesicht. Ich kanns Ihnen nicht übelnehmen. Wenn ich noch ein unbescholtener Mensch wäre, würde ich auch keine Politiker in meinem Dunstkreis wollen. Wir sind ein korruptes und verlogenes Pack – und Sie haben ganz recht: Wir benutzen unsere Macht einzig dazu, unsere Macht auszubauen. Scheißegal, wenn der Rest dabei draufgeht. Na ja. Grüßen Sie Nina von mir. Ich schau die Tage wieder vorbei.
    Willem steigt vom Hocker und klopft auf den Tresen. Danke für den Kaffee.
    Der Mann stößt zwei kurze Töne durch die Lippen; dann ziehen schnelle, nagelnde Geräusche durch den Laden, und bevor Willem die Tür erreicht, steht ein Rottweiler da und blickt ihn an. Als der Mann nochmals seine Lippen zusammenzieht, fängt der Rottweiler an zu knurren.
    Willem dreht sich um.
    Hinter ihm der Hund knurrt und bellt.
    Jacko! ruft der Mann, und es klingt wie damals bei den Deutschmeister-Schergen.
    Der Hund verstummt, und der Mann sagt: Für wen schnüffeln Sie! Dann greift er ein Telefon und gibt eine Kombination ein.
    Willem sagt: Wenn Sie sich beschweren wollen, geb ich Ihnen die Nummer vom Innenminister. Alles, was darunter ist, können Sie vergessen. Sollte allerdings umgekehrt ich Grund zur Beschwerde haben, können Sie noch viel mehr vergessen.
    Als eine Stimme aus dem Telefon kommt, sagt der Mann: Ich bins. Wart mal kurz. Dann legt er es auf den Tresen und kommt nah zu Willem. Sie sind kein Politiker! Er wirkt sauber, durchtrainiert und hat herbes Rasierwasser aufgelegt.
    Probieren Sies aus. Es ist Sonntagmorgen. Da sitzt der Minister mit der Familie beim Frühstück. Er bemüht sich, heiter zu wirken, und alle machen mit. Die Kinder, Thea und Klaas, haben ihr eigenes Leben; auch Anna-Maria hat ihr eigenes Leben, und der Minister wird sich in weniger als einer halben Stunde von seiner Familie zurückziehen, wird vorgeben, die gestern beendete Sicherheitskonferenz zu evaluieren, obwohl alle wissen, daß es nichts zu evaluieren gibt, weil alles längst abgekartet ist. Und alle wissen auch, daß selbst wenn es etwas von der Konferenz zu evaluieren gäbe, der Minister gar nicht fähig wäre dazu. Weil er gestern nach allen Regeln der Kunst bei seiner Mätresse gesumpft hat. Und wenn ich das so sage, weiß ich, wovon ich spreche. Ich habe etliche Aufnahmen gesehen.
    Der Mann grummelt etwas, dann geht er zum Tresen. Ich meld mich später noch mal. Er legt das Telefon weg, ruft den Hund. Zu Willem sagt er: Sie spinnen doch.
    Er steht da, hebt die Arme, lächelt. Ich habs Ihnen von Anfang an gesagt. Wir sind unglückliche Menschen, und unser Privatleben ist ein steter Zusammenbruch. Na ja. Im Grunde sind wir selber schuld, im Grunde haben wir jederzeit die Möglichkeit auszusteigen. In Klausur zu gehen, zu meditieren, Herz zu entwickeln – doch ehrlich gesagt, wir können das gar nicht mehr.

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