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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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im Grunde erst mal herausfinden, wer uns warum etwas so oder so beschreibt.
    Der Beobachter und seine Hintergründe interessieren mich genauso wie Sie. Aber deswegen kann ich nicht jeden auf sein Privatleben hin ausfragen.
    Sie sind ja auch kein Detektiv.
    Willem zerbricht das Hölzchen. Dann sitzen die Männer da, trinken ihren Kaffee.
    Erzählen Sie uns von der Obduktion.
    Am Anfang war es ja nur eine Formsache. Mein Vater war ins Zentralkrankenhaus verbracht worden, und weil man nicht ohne weiteres auf die Todesursache schließen konnte, war die Obduktion vorgesehen. Meine Mutter hatte auch gleich zugestimmt, und der Chefpathologe ging selber ran. Er hieß Lobedanz und ließ sich von einem Jungarzt assistieren. Dieser Jungarzt hieß Friedhelm Lampe, und während der Untersuchung ist ihm gleich etwas aufgefallen. Doch Lobedanz nahm diesen Verdacht nicht ernst – ein übereifriger Jungarzt, nichtwahr, und in seinem Abschlußbericht wischte der Chef alle Zweifel vom Tisch und konstatierte als Todesursache eine klassische Embolie. So wurde der Körper freigegeben und sollte beerdigt werden.
    Mein Vater war wie seine ganze Sippe in Berlin geboren. Also sollte er auch ins Charlottenburger Familiengrab. Doch das war nicht so einfach. Zur Überführung mußten Formalien erfüllt werden, und natürlich fehlte hier ein Stempel, dort ein Papier – das ganz normale Willkürgehabe der DDR gegen den Klassenfeind, so daß mein Vater nach einer Irrfahrt wieder im Zentralkrankenhaus landete.
    Der Jungarzt Lampe nahm das als wunderbare Fügung und erbrachte Nachweise, die die Richtigkeit seiner Behauptung so wahrscheinlich machten, daß Lobedanz, ob er wollte oder nicht, eine zweite Leichenöffnung beantragen mußte. Doch diesmal verweigerte meine Mutter die Zustimmung, und so schaltete der Chefpathologe die Gerichtsmedizin ein und die Gerichtsmedizin die Kripo. Die Kripo kam zu uns nach Hause, stellte Fragen, und dann mußten meine Mutter und Kronhardt aufs Revier. Sie nahmen sich einen Anwalt, und zuletzt sollte ein Richter über die Zwangsautopsie entscheiden.
    Es war eine delikate Sache damals. Brennstoff für die vernagelten Nachkriegsmoralisten, und natürlich hängten sich die Zeitungen rein und spalteten die öffentliche Meinung. Rings den Leuten war das egal, ob sie Täter oder Opfer vor sich hatten: Sie genossen all die hinreißenden Schattierungen dieser Angelegenheit und konnten noch ihre dunkelsten Begierden befriedigen. Wie die Schmeißfliegen wurden sie angezogen, jeder hatte irgendwas, was unbedingt bestickt werden mußte, und meine Mutter war kaltblütig genug, das Geschäft offenzuhalten.
    Schließlich tauchte der anonyme Hinweis auf.
    Ein Arzt, wie es lapidar hieß, der aus Berufsethos ungenannt bleiben wollte. Er verwies auf neue Aspekte, die in einer englischen Fachzeitschrift dargestellt wurden und die die vom Jungarzt Lampe aufgedeckten Anomalien zu seltenen, aber durchaus statistischen Normfällen machten.
    Der Richter bekam die neuen Hinweise auf den Tisch und ließ sie prüfen. Schließlich entschied er, daß die Erkenntnisse aus der Fachzeitschrift einem Vergleich standhielten, und gab den Körper meines Vaters endgültig frei.
    Meine Mutter beschloß, daß wir den Vater nun einäschern und anonym auf dem Gemeindefriedhof beisetzen sollten. Sie begründete das mit Fledderei und Angst vor der erneuten Willkür der DDR . Die Seele meines Vaters sollte ihren Frieden haben.
    Eine Zeitlang schweigen die Männer und sehen einander an.
    Also gibt es nur noch die Asche Ihres Vaters?
    Ja.
    Gehen wir aber noch mal zurück. Wie tauchte der Hinweis des anonymen Arztes auf?
    Ãœber die Zeitung, soweit ich weiß.
    Sie meinen, jemand hat sich direkt über die Zeitung in den Fall eingeschaltet?
    Ich habe das nie nachgeforscht.
    Würde ein rechtschaffener Mensch sich nicht an die Polizei wenden?
    Keine Ahnung.
    Wissen Sie denn, wie die Anomalien aussahen, die Lampe entdeckt hatte?
    Grob gesagt wohl so, daß jemand aus der Materie den Verdacht entwickeln konnte, die Embolie wäre nur sekundäres Merkmal, aber nicht Ursache. Genaues weiß ich darüber nicht.
    Also durchaus möglich, daß sich mit der zweiten Obduktion Lampes Vermutung bestätigt hätte?
    Willem hebt die Schultern.
    Was ist aus Lampe geworden?
    Weiß nicht.
    Und Lobedanz?
    Keine Ahnung.
    Und der Richter?
    Ehrlich gesagt

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