Kronhardt
konnten, und so standen sie beide da; die Frau in einer Wahrheit verwurzelt, die Opfer zu Ungeheuern machen konnte, der Junge zart. Und als er ein Lächeln versuchte, lächelte die Frau zurück, ein seltsamer Augenblick, in dem sich stiller Schmerz mit stillem Genuà verband.
Daà die Mutter am Nachmittag nichts sagte, überraschte Willem.
Auch in den nächsten Tagen sagte sie nichts, und Willem vermutete einen Plan, hinter dem die Mutter plötzlich hervortreten und ihm Verschlagenheit vorwerfen würde. Doch nichts geschah.
Eine Zeitlang war er verunsichert und überlegte in alle Richtungen. Doch zuletzt kam er immer wieder auf zwei Möglichkeiten zurück: Die Lehrerin hatte es der Mutter gesagt, oder sie hatte es ihr nicht gesagt. Und wenn die Mutter Bescheid wuÃte, da war Willem sicher, hätte sie die Anklage längst erhoben und das Urteil vollstreckt. Also wuÃte sie es nicht, und Willem fragte sich, warum die Lehrerin schwieg. Er unterstellte ihr Reue und dann Angst, doch bald glaubte er, daà es so zu einfach war. Er selber hätte womöglich Reue und Angst empfunden, aber nicht eine von Weyer, die zudem Teil eines mächtigen Organismus war, der alle Hilfsmittel zu einer Rechtfertigung liefern konnte. Also unterstellte er ihr SpaÃ. Und wenn sie Spaà daran hatte, Kinder zu quälen, muÃte sie das wahrscheinlich verheimlichen, weil es verboten war, und dann, dachte Willem, hätte sie doch Angst. Doch auch von dieser Seite kam er nicht weiter, denn selbst wenn sie Spaà daran hatte, konnte das auÃer ihr keiner wissen, und sie konnte jederzeit tausend andere berechtigte Gründe angeben, und alle würden ihr glauben. Nichtwahr, solange sie es selber nicht aussprach, würde niemand hinter ihr Geheimnis kommen. Und wenn es ein Geheimnis war, dachte Willem, wäre es natürlich gerissen von der Lehrerin, sofort nach ihrem Spaà zur Mutter oder zum Rektor zu gehen und zu sagen, soundso, bodenlos und kein Respekt, dieser Bengel. Mindestens so gerissen würde die Lehrerin vorgehen, dachte Willem und stellte sich vor, wie sie in ihrem Haus saÃ, Tinte in die Feder zog und Urteile schrieb; ihre machtvollen Kombinationen nackter Zahlen, ist 6 , ist 5 , ist 1 , diese preuÃischblauen Informationen mit der geisterhaften Fernwirkung, und dann stand sie mit ihrer goldenen Spitze am Fenster, ihre Augen sahen dem Rauch hinterher, ihr Geist durchmaà den Raum ihrer Macht, und Willem stellte sich vor, wie viele Möglichkeiten es in diesem Raum gab, von denen er nichts wuÃte. So überlegte er hin und her, und es blieb ein Rätsel, warum die Lehrerin der Mutter nichts gesagt hatte.
Die Jungs standen auf dem Rinnstein, aus der Wand sickerte das Wasser. Unter den Düsen hingen zarte Rostkreise, und Hans stopfte die Blutwurst in seine Tasche. Dann holte er den Aal hervor und sagte: Quatsch. Wenn man nur genügend über die Lehrerin wüÃte, käme man schon dahinter.
Als die Tür aufging, trat Siegfried ein.
Hans sagte: Auf, Dicker. Wers höher bringt.
Siegfried zögerte, doch schlieÃlich stellte er sich dazu, und sie legten los.
Gegen Hans hatte keiner eine Chance. Er hielt alle Rekorde, und es fehlte nicht viel, bis sein enormer Strahl die Kante der Fliesen überwunden hatte. Als sie fertig waren, schlug er Siegfried auf die Schulter. Respektabel, Dicker. Und Siegfried schien das zu gefallen.
Willem schüttelte die letzten Tropfen und ging ans Waschbecken.
Hans hielt dem Dicken ein Stück Aal unter die Nase. Hier.
So was eà ich nicht.
Nicht? Hans schien verdattert.
Nee.
Warum denn nicht?
Die kriechen aus Faulschlamm in die Welt. Und fressen Reste und Abfälle.
Sagt Aristoteles. Komm, auf den alten Ari. Probier mal.
Nee.
Dann eben nicht, und er lächelte und steckte den Fisch weg.
Und sonst? sagte Hans.
Was soll schon sein. Laà mich durch.
Du bist ne Petze.
Na und.
WeiÃt du, was hinter dieser Tür ist?
Laà mich.
WeiÃt dus?
Weià doch jeder.
Der letzte, der drauf war, hat nicht gezogen.
Na und.
Eben. So einer wie du kackt überall die Schüsseln voll. Und spülen können die anderen. Hans drängte den Dicken durch die Tür und schloà ab. Los. Kuck dir das an.
Der Dicke sackte zusammen und flennte.
Du kuckst es dir an. Oder du friÃt es.
Wie ein Kaninchen hockte er und schüttelte den Kopf.
Als Hans zupackte, stieà er einen schrillen Schrei hervor.
Hans
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