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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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sich schick und reservierten beim angesagten Italiener. Später zogen sie mit den Studioleuten durch die Läden; natürlich waren auch Kokser dabei, und auch Konetzke und die Engelsche nehmen wohl mal eine Nase, doch wie es aussieht, haben die beiden mit Drogen nicht viel am Hut. Sie trinken gerne, und wenn, dann teures Zeugs. Aber sie können auch ohne, und die Möglichkeiten des Geldes scheinen Rausch genug.
    Es geschah schließlich in einer Augustnacht. Sie saßen in einem Laden, der Horizonte heißt; limettengrünes Ambiente, Ventilatoren, und über den Tresen wurden Modedrinks gereicht. Die Musik verschmolz mit der aufgeheizten Stadt, und niemand konnte gegen den Schweiß antrinken. Die Engelsche bekam schließlich Lust auf Schnee, während Konetzke sich weiter an Caipirinha hielt. Eine Zeitlang saßen sie noch beisammen; gelegentlich leckte er die glitzernde Transpiration von ihrer glattrasierten Haut, doch zuletzt machte das Kokain sie quirlig, und sie wollte tanzen. Er ließ sie ziehen, und mit ihr zogen die Studioleute.
    Was sich danach ereignete, erscheint auf den ersten Blick wie Zufall. Doch in Wirklichkeit war Konetzke mit seinen wahrscheinlich erpresserischen Geschäften auf Menschen gestoßen, die nichts dem Zufall überließen. Sie hatten ihn längst im Visier, und wenn nicht in dieser Nacht im Horizonte, hätten sie ihn irgendwann woanders erwischt.
    Es war ungefähr halb zwei, als eine Frau auf den Hocker neben ihm glitt. Sie fragte nach Feuer, sie kamen ins Gespräch, und Konetzke spendierte einen Drink.
    Er gab die Frau später als blond zu Protokoll, mittellange glatte Frisur; großgewachsen, körperlich auf Zack, ansonsten eher unscheinbarer Typ. Daß sie schon ein paar Tage älter war, sah man höchstens auf den zweiten Blick, und Eddi beschrieb ihren Reiz vor allem in den Möglichkeiten, die sie auf sehr gekonnte Art hinter aller Unscheinbarkeit aufblitzen ließ. Dabei betonte er aber, daß die Frau mit ihrer Fähigkeit zu locken keineswegs einen gewerblichen Eindruck hinterließ, sondern vielmehr erfahren schien in Welten, die jenseits seiner eigenen lagen.
    Konetzke ist ein umtriebiger Mensch und auf eine Art beschlagen, daß man ihm Menschenkenntnis zutrauen muß. Er gab zu Protokoll, daß die Frau ihn zu locken verstand, und wir nehmen ihm das unbesehen ab. Sie sächselte zwischendurch, ließ Worte aus ihrer Kehle rollen, die russisch und erotisch klangen; sie brachte akzentfreie Maximen von Rochefoucauld oder ein bißchen britischen Humor, und als sie ein Etui zückte mit handgerollten Havannas, lehnte Konetzke nicht ab. Sie selber nahm auch eine und schlug, als wäre es nichts, ihren Rock auf und brannte die Zigarre zwischen ihren Beinen an. Eddi beschrieb diesen Kunstgriff als vollkommen unauffällig, dabei sehr elegant, und er nahm die brennende Zigarre aus ihrer kühlen Hand. Danach zückte er sein Feuerzeug, und so rauchten sie, tranken, plauderten.
    Mit Caipirinha kann man sich durch eine heiße Nacht trinken. Alkohol, Zucker und Limetten hielten Konetzke am Ende wach wie auf Koks, und wenn die Frau neben ihm Dialekt einwarf, konnten die Worte zufällig erscheinen wie ihr Rockklaffen, ihr schimmernder Mädchenbusen. So lockte sie ihn, und wenn er rankam, entwand sie sich mit einer Kraft, die ihn extra locken mußte. Als seine Zigarre zwischendurch ausging, holte sie ein goldenes Feuerzeug vor, und Konetzke gab an, daß er neben ihr drei, vielleicht auch fünf Caipirinhas hatte. Die Bar war zu diesem Zeitpunkt voll, und manchmal drängten die Leute, und die Frau verschüttete schließlich Wasser über ihre Bluse. Zuerst verdrehte sie die Augen, doch dann konnte Konetzke sehen, wie ihr der feuchte Stoff etwas von der Hitze nahm. Ihr Fleisch schimmerte durch den Stoff, und dann schlug sie vor, die Zigarren in Ruhe aufzurauchen.
    So verließen sie das Horizonte. Aus der Stadt strahlte noch immer Hitze, und von Osten kam der neue Tag. Sie gingen nahe beieinander; Konetzke konnte den Schlag ihrer Hüften spüren, und bei der Kunsthalle zogen sie abwärts in die Wallanlagen. Aus dem Laub der alten Bäume strömte Stille, die noch den ersten Vogelgesang erfaßte, und wenn sie stehenblieben, stieg der Zigarrenrauch senkrecht.
    Die Frau hatte ihr Auto am Wall zwischen zwei großen Bäumen geparkt. Konetzke gab an, sie habe nur kurz eine Strickjacke holen wollen. Es

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