Kronhardt
Höhe zurückzustellen. So lächelt er, verwandelt Kaltenhagens Themen galant und ahnt hinter seiner Arroganz das Elementare; ahnt die Angst an sich, das krampfhafte Klammern des Geistes gegen den eigenen Tod. Zuletzt stöÃt er mit dem Grafen an, und für die Grüppchen ringsherum muà es aussehen, als verstünden sich die beiden prächtig; um so mehr, als der Graf sich selbst noch einmal vor den Gästen erhöht, indem er Willem zuruft, sich auf einem bemerkenswerten Niveau zu bewegen.
Karin Lund hakt sich bei Willem ein und schnalzt leise bei der Erinnerung an Willems rhetorische Fähigkeiten; wie er Dünkel und SpieÃbürger auf eine Art entblöÃte, die stets wie Lob erscheinen muÃte. Wie seine Worte sich in den Schädeln der anderen in Selbstherrlichkeit verwandelten, und sie ist überzeugt davon, daà Willem auch Kaltenhagen wieder in diesem Irrglauben zurückgelassen hat. Doch Willem schüttelt den Kopf. Seit dem Tod seines Stiefvaters sieht er vieles anders, er ist milder geworden, und auch Kaltenhagen muà etwas Gutes in sich haben. Mindestens soviel, sagt er, wie jeder andere auch, der verzweifelt versucht, glücklich zu sein. Karin blickt ihn daraufhin lange an. Dann spürt er den Druck ihrer Schenkel, ihr Schnauben gegen sein Ohr.
Am Büfett plaudern sie ein biÃchen über die Reiterei, ein biÃchen über die landschaftlichen Vorzüge im Rotenburgischen, über die unterirdischen Vergiftungen durch das Fracking, und zwischendurch erfährt Willem, daà sie gewissermaÃen solo ist. Von dem Mann, der zuletzt an ihrer Seite war, hat sie sich getrennt; im Zuge der jüngsten Weltwirtschaftskrise war sein Geschäft aus dem Sattel gehoben worden â im Grunde nichts Dramatisches, wie sie sagt, zumal gerade die Araber völlig unbeeindruckt von der Krise blieben. Doch sie nutzten die Gelegenheit und hielten den Mann hin, und der Mann hatte nicht den Mumm, ausstehende Forderungen einzutreiben. Jetzt lassen die Araber sich ihre Pferdeschwimmbecken von jemand anderem in die Wüste setzen, und der Mann ist angestellt in einem Architektenbüro, das kaum mehr als Würstchenbuden entwirft.
Willem lächelt und meint, daà wohl auch dieser Mann nur versucht, glücklich zu sein; und fast alles, meint er, was ein Mann im Leben darstellen kann, wird nichtig, sobald er nur glücklich ist.
Ãber dem Garten erscheint der Himmel in lichtem Blau, und unter den langen Strahlenbündeln liegt das Land in reifer Färbung. Manchmal segeln Blätter aus den Eichen herab, auf den Wiesen reflektieren letzte Spinnennetze im lauen Wind.
Die Kapelle hat ihre Instrumente gestimmt, vier grauhaarige Latinos, die bedächtig ans Werk gehen und Gespür entwickeln für die Welt jenseits ihrer kleinen Bühne. Bald fangen sie die Schwingungen ringsherum, bald scheint wie von selbst eine Wechselwirkung stattzufinden, und dann verdichten die Musiker den Raum, und ihre Rhythmen springen mühelos über.
Willem zuckt mit den Schultern, als Karin ihn mit in den Tanz zieht; anfangs wirkt er hüftsteif neben der Reiterin, die noch immer grazil ist und sich bewegt, als hätten die Jahre keine Spuren hinterlassen. Doch bald findet er Kontakt zu der Musik, und im wechselseitigen Puls scheint es keine Frage, daà auch die Körper einen Kontakt herstellen. So nimmt er die StöÃe aus ihren Hüften, spürt den Einklang ihrer Bewegungen. Und auch die Latinos können die Schwingungen spüren, und in wunderbaren Schleifen lassen sie ihre Musik anschwellen; bald verzerren die Tänzer hinter einem Glast, verschmelzen, und noch der Applaus zwischen den Stücken schwingt sich ein, und Willem spürt die wunderbare Bewegung in sich. Spürt das Ergriffensein und bald, wie sich jenseits davon alles auflöst; wie er hinübersteigt in grenzenlose Bereiche, und sein lichtes Haar steht aufrecht, unter seiner Haut expandiert die Musik, und die Welt fällt in ein schwarzes Loch. Wenn er Bilder sieht, erscheinen sie unscharf und sprunghaft; der Kykladenreeder etwa, wie er mit Striebeck tanzt, Kaltenhagen mit seiner Frau, aber auch Karin; wie sich aus ihrer schlanken Taille das Becken weitet, wie ihr feuchtes Achselhaar aufblitzt. Und so schwingt der Tanz weiter, in Applaus, in Atemlosigkeit und glänzenden Zahnreihen.
Hector Luna hantiert still; wenn er seine Mischungen zubereitet, scheint aller Spätsommer, alle Stimmung
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