Kronjuwel (German Edition)
Gefühl, man hätte ihn hinter einen ihrer Geländewagen gespannt und daran den Berg erneut hinaufgezogen, den sie einen Tag vorher zu Fuß bestiegen hatten. Er hatte sich kaum erholt, eher fühlte er sich durch die Nacht auf dem Feldbett, dessen kleine Federn und Schrauben sich ihm in jeder Lage in den Rücken gebohrt hatten, noch ausgelaugter als durch die siebenstündige Anreise aus Phoenix am Tag zuvor. Ein Blick auf die fluoreszierenden Zeiger seiner Armbanduhr verriet ihm, dass es bereits halb sieben war und ihm nur noch eine Stunde blieb, bis die morgendliche Vorbesprechung im Hauptzelt begann.
Deutlich vernehmbar schliefen Derrick und der andere Zeltnachbar noch, und so stand Noah so leise er konnte aus dem knarzenden Bett auf und zog unter dem notdürftigen Schlafplatz seinen Koffer hervor, dem er eine Hose und ein T-Shirt entnahm. Minuten später war er fertig angezogen und bereit, den Tag in Angriff zu nehmen.
Um halb acht versammelten sich alle im großen Zelt und scharten sich um Professor Caine und Doktor Goodwin, die ihnen erklärten, was an diesem Tag das Ziel war. Ohne lange zu zögern brachen sie schließlich erneut auf, um den Berg zu besteigen, von dem aus sie sich schon am Tag zuvor in die Höhle abgeseilt hatten.
Oben angelangt wartete Caine gar nicht ab, bis Goodwin diejenigen benannte, die heute den Abstieg wagen würden, sondern warf Noah gleich einen Klettergurt zu, damit er ihn anzog. Derrick warf Noah einen Blick zu, als wollte er im zurufen, ,Ich habe es dir doch gesagt‘, und sie machten sich daran, den Abstieg vorzubereiten.
Als Noah als erster den Rand der Höhle erreichte und sobald er festen Boden unter den Füßen hatte das Seil aus seinem Gurt löste, überwältigte ihn der Anblick der Höhle nicht besonders. Goodwin und Caine schlossen zu Noah auf und gingen mit strahlenden Gesichtern an ihm vorbei, als wären sie kurz davor, ihre Geburtstagsgeschenke in Empfang zu nehmen. Caine schaltete zwei der Strahler ein, die sie am Tag zuvor hier herunter gebracht hatten. Die angestrahlten Wände waren nicht so wie Noah es sich vorgestellt hatte mit prähistorischer Kunst bemalt und trugen auch keine eingeritzten Schriftzeichen auf sich. Es waren schlichte Höhlenwände. Goodwin lenkte seine Aufmerksamkeit auf eine Stelle am Boden, wo sie am Tag zuvor eine kleine Tonscherbe gefunden hatten, kaum größer als eine Briefmarke und Noah kniete sich hin, um danach zu suchen. Er fand sie recht schnell und machte mit der mitgebrachten Kamera zuerst ein Bild davon, bevor er sie vorsichtig mit einer Pinzette anhob und in einen kleinen Plastikbeutel warf.
»Ich komme mir vor, wie beim CSI«, sagte Caine hellauf begeistert und ging in einen hinteren Teil der Höhle, um dort mit der Suche nach Fundstücken zu beginnen, bewaffnet mit Pinsel und Skalpell, um verdächtige Stellen genauer untersuchen und freilegen zu können.
Als sie drei Stunden später wieder hinaufkletterten hatten sie zwar eine ganze Reihe von kleinen Tonscherben und Splittern, die aussahen, als könnten sie zu irgendetwas größerem gehören, eingesammelt, doch einen wirklich umwerfenden Fund hatten sie nicht gemacht.
»Vielleicht morgen«, sagte Derrick aufmunternd, als er Noah dabei half, sich aus dem Klettergurt zu befreien.
Noah sprach es nicht aus, doch ihn beschlich bereits jetzt das ungute Gefühl, dass die Suche nach bedeutsamen Stücken sich deutlich schwieriger gestalten würde, als sie vielleicht vermutet hatten, doch wenn er in die Gesichter der Leute um ihn herum sah, so erblickte er bloß puren Optimismus und das Vergnügen daran, selbst den kleinsten Spuren nachzugehen, um vielleicht doch irgendwann den großen Fund zu machen.
Sträuben
Es verging ein Tag nach dem anderen in der mexikanischen Hochebene, ohne dass Noah einen merklichen Erfolg in sein Logbuch eintragen konnte. Jeden Morgen aufs Neue machten sie sich auf den Weg, den Hügel hinauf, stiegen herab in die Höhle und kehrten nach vielen Stunden mühseliger Arbeit mit einer Hand voll Tonscherben und gravierten Steinen wieder zurück in das Lager zurück. Die Hochstimmung, die vor allem in den ersten Tagen bei allen Teilnehmern um sich gegriffen hatte, machte langsam einer enttäuschten, niedergeschlagenen Atmosphäre Platz. Hatten Goodwin und Caine sich noch vor wenigen Tagen von allen anderen feiern lassen, waren gerade die beiden Leiter der Reise mittlerweile immer ruhiger und in sich zurückgezogen. Noah ahnte, dass der Erfolgsdruck, der auf ihnen
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