Kronjuwel (German Edition)
lasten musste, enorm war. Die Regierung Mexikos setzte genauso viel Vertrauen in die amerikanische Expedition, wie das Smithsonian und die Institute der jeweiligen Universitäten, die viel Geld in die Hand genommen hatten, um die Reise zu finanzieren. Je öfter sie mit praktisch leeren Händen abends im Licht der untergehenden Sonne den Hügel hinabstiegen, desto schwerer drückte die Last der enttäuschten Erwartungen auf ihre Schultern herab.
Noah selbst war hin und her gerissen zwischen der gleichen Enttäuschung und der unbändigen Freude darüber, endlich etwas aufregendes, bedeutendes zu tun. Doch obwohl er zu jeder Zeit die fruchtlose Arbeit im Feld der ermüdenden Verwaltung der Universitätssammlung vorzog, nagte es an seinem Verstand, dass sie einfach nicht in der Lage zu sein schienen, den einen entscheidenden Fund zu machen.
Wie es kommen musste, begann genau drei Wochen nach ihrer Ankunft in Mexiko der vorletzte planmäßige Tag ihrer Expedition. Wie jeden Morgen schob Noah die Zeltplane zur Seite um ins Freie zu treten, doch noch mehr als in den letzten Tagen konnte er die erdrückende Stimmung fast schon körperlich spüren. Er fühlte sich, wie ein Boxer, der über zehn Runden klar den Kürzeren gezogen hatte und nach Punkten so weit zurücklag, dass er nur noch auf den einen Schlag hoffen konnte, der mit einem Mal den Gegner zu Boden schickte und ihn den Kampf doch noch gewinnen ließ. Er brauchte nur einen einzigen Schlag.
Bereit, noch einmal alles zu geben, jeden Stein zweimal umzudrehen und jede Faser genau zu untersuchen, betrat er das Hauptzelt. Professor Caine saß am langen Tisch. Ihr Kopf lag neben einem Mikroskop auf der Tischplatte, als hätte sie in der vergangenen Nacht so lange gearbeitet, bis ihr Körper spontan den Dienst verweigert hatte und sie ohne Vorwarnung eingeschlafen war. Leise näherte Noah sich ihr und stieß sie vorsichtig an der Schulter an.
»Professor Caine?«, sagte er leise, doch bekam zuerst keine Reaktion.
»Samantha?«, versuchte er sie erneut zu wecken und mit einem Mal schreckte sie auf, als er etwas bestimmter an ihrer Schulter rüttelte.
Mit noch halb geschlossenen Augen sah sie sich verwirrt und hektisch um.
»Noah«, stieß sie hervor, als sie ihn erblickte, »Was machen Sie so spät noch hier, ruhen Sie sich aus, morgen wird ein anstrengender Tag.«
»Es ist schon morgen, Ma’am«, sagte Noah und versuchte dabei behutsam vorzugehen.
»Sie sind wohl eingeschlafen, es ist jetzt kurz nach sieben.«
Ein panischer Gesichtsausdruck breitete sich für den Bruchteil einer Sekunde in ihrem Gesicht aus.
»Eingeschlafen?«, murmelte sie leise, während sie zerfahren nach ihrer Brille griff, die sie neben dem Mikroskop abgelegt hatte.
»Das ist nicht akzeptabel«, fuhr sie leise fort und klang dabei so, als wäre sie noch immer nicht ganz wach und wüsste noch nicht genau, was sie redete.
»Natürlich ist es das«, gab Noah beschwichtigend zurück, »Wie wollen Sie heute ihr Bestes geben, wenn Sie völlig übermüdet sind?«
»Geschlafen wird nächsten Monat«, sagte sie und schüttelte heftig den Kopf, als müsste sie sich selbst dazu zwingen, nicht sofort wieder mit dem Kopf auf die Tischplatte zu fallen.
»Ma’am, bei allem Respekt«, setzte Noah erneut an, »Glauben Sie wirklich, dass es uns dem Ziel unserer Reise näher bringt, wenn Sie sich jede einzelne Nacht um die Ohren schlagen? Ich meine, was haben wir bislang davon gehabt?«
»Wir haben nur noch heute, Noah«, fuhr sie ihn harsch zur Antwort an.
»Das ist unsere letzte Chance, morgen müssen wir das ganze Zeug hier zusammenpacken und zurück zum Flughafen fahren, und das Ergebnis unserer Forschung ist bislang mehr als unbefriedigend.«
Sie brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass sie unangebracht reagiert hatte und senkte dann leicht betreten den Kopf.
»Es tut mir leid, Noah. Aber Sie müssen meine Situation verstehen. Viele wichtige Menschen haben hohe Hoffnungen in uns gesetzt. Und diesen Menschen gegenüber zu treten, wird keine leichte Aufgabe sein.«
»Aber dafür kann niemand etwas, Ma’am. Wie sollen wir etwas finden, wenn es einfach nichts zu finden gibt?«
»Es gibt immer etwas zu finden, Noah«, sagte sie und ein bitterer Unterton klang dabei in ihrer Stimme mit.
»Wenn Sie nichts finden, sehen Sie einfach nicht genau genug hin.«
»Ich habe so genau hingesehen wie ich konnte«, versuchte Noah sich zu verteidigen.
»Das weiß ich, und ich meine auch nicht Sie im
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