Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
nicht den netten Gönner gegeben, einen Burschen aus meiner Heimat, der in Pest damals schon ein großer Herr war, mit möbliertem Zimmer gassenseitig, auch verfügte er über eine silberne Tabatiere und nahm sein Frühstück regelmäßig im Kaffeehaus ein. Er hatte die Handelsschule absolviert und war bereits wohlbestallter Bankangestellter in der Korrespondenzabteilung. Weiß Gott, mit welchen berühmten ausländischen Bankiers er in Verbindung stand, mir hat er nie etwas über seine Korrespondenzen erzählt. Nein, Freunde sind wir nicht gewesen, damit mag ich mich nicht brüsten, erstens war er schon an die zwanzig und trug bereits einen Backenbart nach Debreziner Mode, und zweitens stand ich wirtschaftlich wie gesellschaftlich weit unter ihm. Eher war er so etwas wie ein Protektor, wenn nicht gar mein Mäzen. Jeden Sonntag wurde ich von ihm ins Kaffeehaus
Miramare
am Andrássy-Boulevard bestellt, er selbst saß dort bis Mittag, las Zeitung und spielte in Gesellschaft von seinesgleichen Billard. Ich durfte auf seine Rechnung einen Kaffee konsumieren, dazu Butter und Kipfel, so viele ich wollte; wenn er sich erhob, um Billard zu spielen, konnte ich alle Sonntagsblätter lesen. Es war wunderbar, überwältigend, dieses Kaffeehaus, Miramare, das wirkliche dort am Meer, kann nicht schöner und beglückender sein.
Als ich damals meine einzigen Nachhilfeschüler verloren hatte (weil die Eltern dahinterkamen, dass ihre Kleinen im Rechnen besser waren als ihr Korrepetitor!), hat mich dieser großherzige Mensch für die Nachmittage als Adressenschreiber bei seiner Bank untergebracht.
Der heilige Sonntag im Kaffeehaus
Miramare
brachte mir also das große Glück.
Montagnachmittags um drei durfte ich mich in der Bank bei einem gewissen Herrn Gébics melden, er war dort sozusagen der Herrgott der Adressenschreiber.
Herr Gébics übernahm mich also. Bei dieser Übernahme knirschte er unüberhörbar mit der oberen über die untere Zahnreihe seines Gebisses. Ich dachte schon, er wäre mir böse, weil ich so dreist gewesen war, auf die Welt zu kommen. Und er gab mir zu verstehen: die Arbeit dauere bis abends um acht und dass ich für tausend sauber geschriebene Adressen eine Krone bekäme. Damals wurde nämlich noch in Kronen gerechnet. Daraufhin händigte er mir einen Federhalter mit einer Aluminiumfederspitze aus und wies mich an, behutsam damit umzugehen, da nur einmal wöchentlich neue Federn ausgegeben würden.
»Bitte folgen Sie mir!«
Aus dem modernen und vergitterten, zur Straße gelegenen Kassenraum brachte er mich nach hinten, Richtung Hof, in einen öden großen Saal, wo der Putz von den Wänden fiel und es ganz finster gewesen wäre, wenn nicht ein paar Gaslichter gebrannt hätten. Da Herr Gébics vor mir schritt, konnte ich feststellen, dass sein Haar vom Ohr bis zum Scheitel hinaufgebürstet war. Trotz seiner Klapprigkeit erschien sein Rücken furchtbar rund, von der Seite gesehen entsprach die Konkavität des Brustkorbs genau der Konvexität seines Rückens. Von vorn nötigte mir sein kränkliches, backhefefarbenes Gesicht stets Ernst und Beklommenheit ab, und fortwährend schüchterte mich sein Zähneknirschen ein, ich empfand es gewissermaßen als Vorspiel für eine Rüge.
Im Saal befanden sich etwa dreißig Gestalten, die an zwei unglaublich langen Tischen in Gruppen von drei oder vier nebeneinander saßen. Herr Gébics sah sich um. Eine größere Zahl von Köpfen hob sich nach und nach. Sie grüßten den Herrn Gébics. In diesen Augenblicken vernahm ich um mich herum seltsam stotternde Geräusche. Etwa so, als schramme der Novemberwind durch kahle Bäume. Das Scharren der zahllosen Federn erzeugte diese leise, von Zeit zu Zeit aussetzende verzweifelte Musik im Saal. Herr Gébics hustete ein- oder zweimal, worauf auch diejenigen die Köpfe hochrissen, die versucht waren, sich das ehrerbietige Zuwenden zu ersparen, und schon um ein beschriftetes Kuvert weiter sein wollten.
Herr Gébics führte mich in die Ecke zu einem ziemlich verschrammten Tisch unterhalb des vergitterten Fensters. Auf der Fensterseite saß eine einzelne Person, ein älterer Mensch mit Augenblende vor der Stirn. Er schrieb. Seine Glatze glänzte unter der Gasleuchte wie Chinesischsilber. Einzelne weiße Härchen verloren sich auf seiner Platte, das Alter, dieser kurzsichtige Schnitter, musste jene einsamen Halme übersehen haben. Kurz hob sich die Augenblende des Mannes und senkte sich gleich wieder. Auch er grüßte Herrn Gébics. Der
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