Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
kalligraphischen Fähigkeiten fünfzehn, zwanzig Gendarmen-Adressen, vom sehr geehrten Herrn Korporal bis zu den höheren Dienstgraden in all den gottverlassenen Provinznestern der Randkomitate mit ellenlangen Namen und ihren Postämtern im nächstgrößeren Nachbarort.
Mit einem Mal erhebt sich mein Sitznachbar vis-à-vis, kommt auf meine Seite, stellt sich hinter mich. Beobachtet, wie ich schreibe, saugt hörbar, aber trocken an seiner Spitze und sagt:
»Sie führen eine feine Feder, mein Sohn.«
Es war, als spräche seine Rohrspitze mit diesem verrauchten schweren Atem zu mir.
Er legt seine Hand auf meine Schulter.
Ach Gott, stolz sollte ich sein auf diese meine in der Schulbank wohlgedrillte Schrift? Eher schmerzte es mich. Schließlich haben doch schon Pester Blätter im
Vermischten
und
Von hier bis dort
Gedichte von mir abgedruckt. Und nun bin ich Adressenschreiber.
»Drücken Sie nicht so stark auf, mein Sohn, das kostet Zeit, und die Feder zieht dabei Fasern aus dem minderwertigen Papier des Kuverts. Schreiben Sie dünner und schneller, lassen Sie die Silben aus der Feder fließen und schauen Sie dabei nicht in den Tag hinein.«
»Jawohl, besten Dank.«
Er schaut, saugt hörbar an seiner Spitze, schnorchelt, rasselt und sagt:
»Sie müssen Seine Hochwohlgeboren nicht ausschreiben, einfach S. H., und auch nicht sehr geehrter, für diese Vizefeldwebel reicht durchaus auch s. g. … Ja, mit den Gendarmen haben Sie nicht gerade den Glückstreffer gezogen.«
Das habe ich geahnt.
»Sie sind ein Neuer, nicht wahr? Adressenschreiben haben Sie bislang nicht …?«
»Nein, bitte, hab ich nicht.«
Er lachte. Vielmehr schluchzte er. Der Mann tat zwei Schritte, dann kam er zurück.
»Ich sag Ihnen was, Herr Kollege. Überlassen Sie doch mir diese niedliche Aluminiumfeder. Ich plage mich verdammt mit meiner Feder von letzter Woche, ganz furchtbar muss ich mich damit plagen. Wissen Sie, was mir passiert ist? Ich bin auf meine nagelneue Rundspitzfeder getreten. Sie fiel mir aus der Hand, als ich sie in den Federhalter stecken wollte. Sie werden jetzt ja ohnehin nicht mehr so fest aufdrücken und kommen deshalb auch mit meiner Feder von letzter Woche gut zurecht. Lassen Sie es uns doch einmal probieren.«
Er nahm meine Feder und tauschte die seine gegen meine.
Gut, also fing ich an zu schreiben; von meiner Quälerei dabei will ich gar nicht berichten. Fast bei jedem Buchstaben blieb die lädierte Rundspitzfeder meines Nachbarn an dem miserablen Papier hängen. Ohnehin hab ich die Rundspitzfedern mein Leben lang gehasst.
Gönnerhaft wie ein Oberlehrer aber redete er zu mir herüber:
»Nun, wie geht es, Herr Kollege?«
»Es geht, bitte schön, ganz gut.«
Wenn es weiterhin so gut geht, werde ich meine tausend Adressen in dieser Woche nicht schaffen. Zuerst spürte ich es heiß in der Nase, gleich darauf wurden meine Augen feucht.
Mitfühlend und genießerisch wandte sich der Herr von vis-à-vis mir wieder zu:
»Tja, mein Bester, als Anfänger kriegt man halt die Gendarmen und die Zöllner. Sehen Sie, ich habe die Professoren der Hauptgymnasien des Landes, die königlichen Landgerichte und den höheren Offiziersstab des Heeres. Das sind nur Namen und Städte. Da muss man durch, mein Bester, wenn man vorankommen will. Auch ich habe seinerzeit mit den Gendarmen und einer Rundspitzfeder angefangen.«
(1951)
Der vierte Hasenfuß
Bitte, verehrter Leser, erweisen Sie mir die Ehre und schenken Sie mir einen Augenblick lang Ihre Aufmerksamkeit. Ich kritzle hier eine kleine Begebenheit aus dem Jahrmarkt meines Lebens aufs Papier. Das Interessante daran ist aber keineswegs, dass ich sie erlebt habe, sondern dass sie überhaupt passiert ist. Denn was auch immer irgendwo irgendwann geschieht, ist natürlich von Interesse. Ich gestehe, dass ich in einsamen Stunden jeder Kleinigkeit, die sich bisher in meinem Leben zugetragen hat, nachzugehen pflege. Manchmal erinnere ich mich sogar an den einen oder anderen Seufzer, den ich ausgestoßen habe und der in den weiten Äther entschwebte. Wenn ich ihn noch irgendwie zu fassen bekomme, beginnt meine Fantasie damit zu spielen, ich ziehe und zupfe daran wie an einem zufällig aufgesammelten Haar. Da mich jedermanns Angelegenheit angeht, interessiert mich auch diese Sache, die mir selbst widerfahren ist, gehöre ich doch zur selben Spezies, bin also ein Mitglied des Menschengeschlechts. Als solches habe ich nicht nur die Schule besucht, sondern auch Algebra gelernt. Doch was
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