Krumme Touren in Texas
Haar stand in einem
ölverschmierten blauen Jeansoverall in der Tür einer
Autowerkstatt und beobachtete teilnahmslos die
Straße.
»Ein Glück, daß du nicht warten mußt, bis er
blinzelt, um einen Ingwerkeks zu bekommen, sonst
würdest du verhungern«, sagte ich zu Anice. Sie hing
aus dem Fenster und bellte ihn drohend an. Ich
bemerkte ein Fettröllchen an ihrem Schwanzansatz.
Das Dixie Touristenhotel war eigentlich eine
Touristenresidenz
–
zwei
Reihen
kleiner
stuckverzierter Häuschen mit roten Ziegeldächern
standen einander um eine kreisförmige Auffahrt
gegenüber. Hier und da steckten große, hellgrün
angemalte Holzkakteen zur Dekoration in der Erde.
Ein kleiner Planwagen verrottete im Garten vor der
Rezeption. Auf das Schild, das an einer Stange über
der Bürotür hing, war ein putziger Soldat der
Konföderierten gemalt, der eine Konföderiertenfahne
schwenkte. Soweit ich sehen konnte, war es das
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einzige auf dem ganzen Gelände, was sich auf Dixie,
also die Südstaaten bezog.
Anice zwinkerte mir zu und grinste. Sie liebte
Western-Motive. Ihr Schwanz wedelte schneller als
Kolibriflügel, als wir unter dem Stuckbogen hindurch
und zweimal um die Auffahrt kurvten, um die
Wagenräder und ausgebleichten Rinderschädel zu
besichtigen, die in der Landschaft verstreut lagen.
Bitsy saß in einem kastanienbraunen Chevrolet,
der vor Haus Nummer acht parkte. Er grinste und
winkte, als wir vorbeifuhren. Ich setzte rückwärts in
die Parklücke neben ihm. Anice war gespannt wie ein
Flitzebogen, bereit, mich um jeden Preis vor jeder
Gefahr zu schützen. Vierzehn Pfund (na schön,
fünfzehneinhalb Pfund) geschultes Dynamit warteten
auf mein Kommando. Ich stopfte sie in meinen
dunkelblauen Trenchcoat und rannte zum Häuschen.
Noch bevor ich geklopft hatte, ging die Tür auf,
Schwester Jasmine streckte den Kopf raus und sah
sich schnell um, dann winkte sie mich hinein.
»Du willst nicht mal das geheime Codewort
wissen?« fragte ich.
»Hallo, mein Schatz.« Sie lehnte sich gegen mich,
drückte mich an die Wand und versuchte mich zu
küssen.
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»Laß das«, knurrte ich. »Du zerquetschst meinen
Hund.«
Ich setzte Anice sanft auf den Boden und sagte:
»Sie ist aufs Angreifen abgerichtet, also versuch keine
faulen Tricks. Mag sein, daß sie nicht wie ein
hervorragender Wachhund aussieht, aber laß dich
dadurch nicht täuschen.«
Anice tanzte auf den Hinterbeinen um die böse
Versucherin herum.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich bin,
daß du heute abend gekommen bist, Hollis. Ich hatte
solche Angst. Jetzt fühle ich mich viel besser, wo du
hier bist.«
»Du hättest zum Film gehen sollen«, knurrte ich.
»Spar dir das Süßholzgerasple, okay? Ich bin nicht
die Unschuld vom Lande, die gerade mit dem
Eiergeld in die Stadt durchgebrannt ist.«
Sie stolzierte zu einem Ahorncouchtisch, dessen
Beine aus Wagenradhälften bestanden. Das ganze
Zimmer war im Frühen Küchenwagen-Stil gehalten.
Auf dem Doppelbett lagen zwei dunkelbraune
Chenilledecken, auf denen jeweils ein Cowboy auf
einem sich aufbäumenden Palomino posierte. Die
Wände waren aus knorrigem Kiefernholz, und hinter
dem Couchtisch stand ein braunes Rindsledersofa.
Geweihe und Hörner hingen an den Wänden neben
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Bildern von Cowboys, die Vieh hüteten. Ich war in
Versuchung, »Komm her, ich besorg’s dir« zu
brüllen, aber ich fürchtete, Schwester Jasmine würde
das falsch verstehen.
»Warum nur haben sie es Dixie Hotel genannt?«
fragte ich, weil ich wußte, daß mir der unpassende
Name schlaflose Nächte bereiten würde.
Jasmine zuckte die Achseln und schnappte sich ein
Päckchen Luckies vom Tisch, klopfte eine heraus, riß
ein Streichholz über die Tischplatte, zündete sich die
Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, der die
Spitze wie einen Kometen aufglühen ließ. Ich saß am
Fußende des Betts und umspannte meine Knie mit
den Händen. Sie rekelte sich auf dem Sofa und fragte:
»Warum bist du mir letzte Nacht gefolgt?«
»Ach Gottchen! Ich hab’ dir erzählt, eine Freundin
von mir ist in Schwierigkeiten, und ich versuche sie
da rauszuhauen. Ich stolpere ständig über deine
Kirche, wohin ich mich auch wende. Als ich gestern
abend mit dir gesprochen habe, wußte ich natürlich
nicht, daß du eine Affäre mit Charlotte hast.«
Wenn ich erwartet hätte, sie würde empört nach
Luft schnappen, hätte ich eine Enttäuschung erlebt.
Sie zuckte nicht
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