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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Blick über das Tal schweifen. Dann hängte er sich den Rucksack um und reichte seinem Sohn den Koffer mit den Mikrophonen und den Kabeln.
    »Wo haben Sie Ihr Auto geparkt?«
    »Oben auf dem Waldweg.«
    Als sie dort angekommen waren, begrüßte der Toningenieur Bealfeld und Gutiérrez.
    »Wir fahren mit Ihnen, Señor Tavera … wenn es Ihnen recht ist«, sagte Rachel, die sich inzwischen wieder etwas gefangen hatte. Sie ahnte, daß der Toningenieur ihnen viel nützlicher sein konnte als all die offiziellen Kanäle.
    »Kein Problem. Steigen Sie ein.«
    Kaum waren sie wieder auf der asphaltierten Straße, wandte sich Tavera an Rachel, die sich neben ihn auf den Beifahrersitz gesetzt hatte.
    »Ich schätze Ihre Mutter sehr. Sie ist eine großartige Frau und sehr professionell. Ihre Mutter und der Architekt Ramírez de Maliaño haben sich mir gegenüber immer anständig verhalten und meine Aufnahmen auf der Plaza Mayor unterstützt.«
    »Seit wann machen Sie das schon?«
    »Seit rund zwanzig Jahren. Systematisch seit etwa fünf, nachdem man mir für dieses Pilotprojekt zur Bewahrung von Klanglandschaften finanzielle Unterstützung bewilligt hat. Seither kann ich mit wesentlich besseren Gerätschaften arbeiten.«
    »Und worin besteht Ihre Arbeit?«
    |262| »Ich nehme nahezu alles auf, den ganzen Lebenszyklus. Die großen und kleinen Feste, die Märkte, die Glockenschläge … Antigua ist sehr interessant. Nur an den windigen Tagen habe ich Probleme. Es ist schwierig, bei Wind zu arbeiten, denn da vermischt sich alles, es gibt eine regelrechte Flut von Klängen, die sich gegenseitig überlagern, so daß nichts mehr eindeutig herausgehört werden kann. Dafür tritt die Natur dann stärker in den Vordergrund: die Bäume, ihre Zweige … all das hat plötzlich einen eigenen Klang.«
    Sie waren in den verwinkelten Gassen des ehemaligen Judenviertels angekommen, durch die der Toningenieur nun ganz langsam fuhr, bis er schließlich auf einem kleinen Platz parkte, wo sie auf Gutiérrez’Wagen warteten. Danach gingen sie zu Fuß zu einem großen alten Haus. Ein paar Schritte davor blieb Tavera vor einem unbebauten Grundstück stehen und zeigte nach oben.
    »Hören Sie das Flattern der Mauersegler und ihr Gekreische? Man hat das Gebäude abgerissen, unter dessen Dachgauben sie ihre Nester gebaut hatten. Jetzt müssen sie sich einen anderen Unterschlupf suchen.«
    Er schloß das wurmstichige Haustor auf.
    »Entschuldigen Sie, daß ich vorgehe. Ich mache uns Licht.« Er ging zum Sicherungskasten und führte sie dann durch einen jahrhundertealten Innenhof, in dem es nach frisch gewässertem Farn roch. Das gespannte Sonnendach über ihren Köpfen sorgte dafür, daß die Frische des Vormittags noch etwas zu spüren war. Am Ende des Hofs stand eine schmale Tür offen, hinter der eine steile Backsteintreppe in ein altes Kellergewölbe hinabführte. Tavera achtete darauf, daß sie sich nicht den Kopf an einem überstehenden Balken stießen.
    Der Größe des Raums nach zu urteilen, hatte er in schlimmen Zeiten vielleicht einmal als unterirdisches Versteck gedient. Man konnte es hier unten gut aushalten. Es war einigermaßen warm und seltsam still. NachdemTavera eine verstaubte, niedrig hängende Deckenlampe angeknipst hatte, fiel ihr Blick auf eine ganze Reihe hochmoderner Apparate, die die ganze |263| hintere Wand bedeckten und deren grünliche Schalttafeln einen seltsamen Kontrast zu dem uralten Kellergewölbe bildeten. Der Toningenieur schaltete nun sämtliche Gerätschaften ein, setzte sich ans Mischpult und wandte sich dann an den Inspektor.
    »Lassen Sie mich diesen Telefonanruf mal sehen.«
    Gutiérrez gab ihm das Band. Tavera schob es in ein Kassettendeck und tippte etwas auf einem Computer ein. Er regulierte die Lautstärke und lauschte aufmerksam. Aus den Lautsprechern drang zuerst nur ein schwaches Summen, doch plötzlich war jene bedächtige Männerstimme zu hören.
    »Ich weiß, daß Sara Toledano verschwunden ist. An Ihrer Stelle
würde ich sie im Krater auf der Plaza Mayor suchen.«
    Stille und danach ein Knacken beim Auflegen des Hörers.
    »Lassen Sie es mich in Ruhe anhören. Und setzen Sie sich bitte.«
    Sie blickten sich suchend um, konnten aber nirgends eine Sitzgelegenheit entdecken. Als Tavera es merkte, stand er auf und suchte in einer dunklen Ecke nach vier Klappstühlen, die er ihnen hinstellte. Danach stülpte er sich die Kopfhörer über und begann an den Reglern des Mischpults zu drehen. Nachdem er sich das

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