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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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bestanden.
    Zurück zu Hause, warf Sidi Bey mir vor:
    ›Ihr seid unvernünftig. Beinahe hättet Ihr nach den Pergamenten gefragt, die im Inneren der Kaaba hängen, und Euch damit verraten. Sprecht besser mit dem Kalligraphen des Großscherifs, wenn Ihr ihn besucht, um Cansinos’ Kodizes in Augenschein zu nehmen. Er wird das sicher wissen. Viele halten ihn für den besten Kalligraphen des Islam.‹
    |571| ›Kennt Ihr ihn?‹
    ›Er ist ein alter Freund von mir und Stammkunde in meinem Kaffeehaus. Ich werde Euch zu seinem Arbeitsplatz in der Moschee begleiten. Aber versprecht Euch nicht zuviel davon, denn er ist ein sehr ernüchterter Mann. Wenn ich Euch begleite, wird er aber sicher aufrichtig sein und unumwunden Euer Anliegen abschlagen, wenn er es für angebracht hält.‹
    Der Kalligraph hieß Abbas, und ich konnte in der Tat beobachten, daß er Sidi Bey voller Herzlichkeit begrüßte. Mir gegenüber wahrte er hingegen Distanz. Da ich ihn für die Zeit entschädigen wollte, die er uns widmete, bat ich ihn, mir eine Urkunde auszustellen, die mich an meine Teilnahme an der Reinigungszeremonie erinnern sollte. Er fragte mich nach meinem Namen und wies mich darauf hin, daß er die Urkunde danach noch dem Großscherif zur Unterschrift vorlegen müsse.
    ›Natürlich bekommt Ihr die nur gegen einen Obolus für die höchste Autorität der Stadt‹, fügte er hinzu.
    An der Art, wie er dies sagte, merkte ich, daß er die Käuflichkeit, in die seine Kunst gemündet war, höchst widerwärtig fand. Ich lobte seinen Federstrich und machte eine Bemerkung über seine Schreibfeder.
    ›Die habe ich von meinem Vater geerbt‹, erklärte er stolz, ›und ich glaube nicht, daß ich in meinem Leben noch einmal eine vergleichbare finden werde.‹
    Als er fertig war, bezahlte ich ihn großzügig, und er dankte mir herzlich, ich glaube, mehr für die Wertschätzung, die ich seiner Kunst entgegengebracht hatte, als für die Geldsumme.
    Dann rückte Sidi Bey mit meinem eigentlichen Anliegen heraus.
    ›Randa wollte Euch noch etwas fragen.‹
    Auf ein Stück Papier zeichnete ich ein paar Striche wie die auf meinen elf Pergamentkeilen.
    ›Habt Ihr vielleicht so etwas Ähnliches in den Kodizes gefunden, die man Euch kürzlich aus Kairo geschickt hat?‹
    ›Welche meint Ihr?‹ fragte er mich und zeigte mit einer weitausholenden |572| Geste auf die vielen Bände, die hinter ihm standen.
    ›In einem, der den Namen von Rubén Cansinos trägt.‹
    Diese Antwort schien ihn zu überzeugen. Er zog drei der Kodizes heraus, legte sie auf einen niedrigen Tisch und begann darin zu blättern. Und als er den zweiten aufschlug, fiel mein Blick auf das an einer Ecke eingerissene Velin des Buchdeckels, aus dem ein Pergament hervorschaute, auf dem seltsame Linien aufgemalt waren. Es bestand kein Zweifel: es war der zwölfte Keil! Ich konnte meinen Freude darüber kaum verbergen.
    Ich bat den Kalligraphen, mir das Fragment näher ansehen zu dürfen. Er wollte es herausnehmen, doch war es so fest mit dem Buchdeckel verbunden, daß er mit einem kleinen Messer das Velin des Einbandes lösen mußte, das auf der Innenseite … beschrieben war! Vor uns lag eines der Pergamente der ›Sarazenischen Chronik‹! Nun konnte ich meine Begeisterung über den Fund nicht mehr länger unterdrücken. Sidi Bey und Abbas sahen mich verwundert an. Um ihren Argwohn zu zerstreuen, erzählte ich ihnen deshalb kurz die Geschichte, soweit ich sie kannte. Daraufhin warf der Kalligraph einen prüfenden Blick auf den Text vor uns, und das überzeugte ihn, so daß er mir erlaubte, den Einband aller drei Kodizes aus Cansinos’Besitz abzulösen. Und nachdem ich diese kalbsledernen Pergamentbogen geordnet hatte, konnte ich die folgenden Worte lesen.
    Noch im selben Jahr, in dem der letzte Gotenkönig, Don Rodrigo
, die vierundzwanzig Schlösser des Königspalastes aufbrechen
ließ, fielen die Mauren in Spanien ein. Tāriq ibn Ziyād überquerte
mit seinem Heer das Meer, und auf Befehl des Statthalters
von Ifriqiya, Musa ibn Nusayr, bemächtigten sie sich aller
Städte, die rechts und links ihres Weges lagen, bis sie schließlich
Antigua eroberten, fieberten sie doch danach, jenen Schatz an
sich zu reißen, in dem sich der Talisman befand, der das Reich
beschützte.
    Und all dies geschah unter dem Kalifat von al-Walid I. aus
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der Dynastie der Omaijaden. Der Kalif verbrachte einen Großteil
des Jahres in Qasarra, seinem Palast in der syrischen Wüste.
Und dorthin bestellte er

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