Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
ungebührliches Verhalten gesühnt sei.«
»Das könnte ewig dauern«, jammerte Nalkaar, »ich werde die Qualen nicht ertragen können.«
»Es dauert so lange, wie ich es für richtighalte, und Ihr werdet die Bestrafung überstehen«, sagte Rajuru. »Ich habe mit den Schatten gesprochen. Das Feuer wurde bereits für Euch geschürt. Die Flammen erwarten Euch. Ihr werdet noch heute zu den Schatten aufbrechen.«
Rajuru drehte sich um und suchte nach einem Gegenstand auf dem Tisch. Nachdem sie fündig geworden war, wandte sie sich erneut an Nalkaar. Sie hielt einen Dolch in Händen, dessen feste Struktur mit bloßem Auge nur schwer zu erkennen war und der ein schwarzes Licht verströmte.
Ein Schattendolch, dachte Nalkaar erschrocken.
Soweit der Todsänger wusste, gab es nur ein einziges Exemplar dieser von den Schatten verfluchten, aus den Knochen eines magisch begabten Wesens geschaffenen Waffe. Wie auch immer Rajuru in den Besitz des Dolches gelangt war, sie musste mit den Schatten im Bunde stehen oder einen sehr hohen Preis bezahlt haben.
Du kannst nicht töten, was bereits tot ist, ging es Nalkaar durch den Kopf , wie oft erlag ich diesem Irrtum?
Der Schattendolch war die einzige Waffe, die einen untoten Todsänger erneut töten und zu den Schatten bringen konnte. Dies war also der Weg, den sich die Saijkalsanhexe für Nalkaar ausgedacht hatte.
»Wie ich Eurer Reaktion entnehmen kann, wisst Ihr, was ich in meinen Händen halte«, sagte Rajuru, während sie den Todsänger eingehend musterte.
Nalkaar nickte betroffen. »Eine düstere Ahnung verfolgt mich«, antwortete er mit belegter Stimme.
»Wollt Ihr den entscheidenden Schritt selbst tun oder soll ich Euch dabei helfen?«, bot sie dem Todsänger an.
Nalkaar erwiderte die Frage mit einem entgeisterten Blick. Sie verlangte von ihm, dass er sich selbst den Schatten übergab und aus freien Stücken den Flammen der Pein aussetzte. Er stellte sich vor, wie er sich vor ihren Augen den Dolch durch den Hals trieb und mit welcher Kälte ihn dabei ihre Blicke trafen. Seit er ihr diente, hatte er noch nie eine Regung von Mitleid oder andere Gefühle als Kälte und Hass für das Leben anderer in ihrem Wesen entdecken können. Vielleicht würde er in ihrem Ansehen steigen und sie verkürzte die Zeit der Qualen, wenn er nur tat, was sie von ihm wollte. Andererseits war ihm die Vorstellung zuwider, selbst Hand an sich legen zu müssen, nur um ihr zu gefallen und die ihm angedachte Bestrafung zu vollziehen. Wenn sie ihn brauchte, würde sie ihn so oder so aus dem Reich der Schatten zurückholen. Und was, wenn es ihr nicht gelänge? War sie mächtig genug, ihn noch einmal den Fängen der Schatten zu entreißen? Was, wenn ihn die Flammen verzehrten? Der Gedanke erschreckte den Todsänger.
»Nehmt Ihr den Dolch nun entgegen?«, unterbrach Rajuru die nachdenkliche Stille.
Hatte er wirklich eine Wahl? Nalkaar ging einen Schritt auf die Herrscherin der Rachuren zu, entblößte sein entstelltes Haupt und nahm ihr den Dolch aus den Händen. Der Schattendolch fühlte sich eiskalt an und die ihn umgebenden Schatten begannen begierig die Finger des Todsängers zu umschlingen. Als er die Kapuze nach hinten gestreift hatte, beobachtete er aus dem Augenwinkel, wie Rajuru die Mundwinkel angewidert verzog. Dabei war das schreckliche Antlitz des Todsängers keine Überraschung für die Hexe, die weit Schlimmeres gewohnt war. Für einen Moment war Nalkaar der Versuchung nahe, den Dolch zu verwenden, um ihn der Rachurenkönigin in die Brust zu stoßen. Der Gedanke war verlockend. Ein Schattendolch nahm nicht nur das Leben des Opfers, sondern vernichtete neben dem Körper auch Geist und Seele eines Sterblichen, die sodann auf ewig den Schatten versprochen waren. Eine interessante Vorstellung. Rajuru war keine Sterbliche und ihre Seele hatte sie längst dem dunklen Hirten verschrieben, so wie Nalkaar selbst die eigene Seele während des Unfalls für immer verloren hatte und sich nach Beseelung hungernd von den Seelen anderer ernähren musste. Was würde geschehen, wenn der Schattendolch sie verwundete und das Versprechen des verfluchten Dolches nicht eingehalten wurde? Musste sie dafür in den Flammen der Pein büßen?
»Denkt nicht einmal daran, Nalkaar«, unterbrach sie ihn erneut kalt lächelnd, »die Schatten lassen sich nicht täuschen. Ich wäre schneller zurück, als Euch lieb sein kann. Wer außer mir sollte Euch dann von den Flammen der Pein erlösen? Ihr solltet Euer Gesicht
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