Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Stillstand war der Waldläufer klar auszumachen.
Die wertvollen Blätter des seltenen Kopabaumes hatten einen angenehmen Nebeneffekt: Sie kühlten seine wundgelaufenen Glieder und die durch den Dauerlauf überhitzten Muskeln. Sie schenkten ihm neue Kraft und ließen ihn seine Schmerzen eine Zeit lang vergessen.
Auf seiner Schulter saß ein kleines, daumengroßes Äffchen, das sich an einer eigens dafür angebrachten Lederschlaufe festhielt und im Takt des Laufes mitschwang. Es handelte sich um einen ausgewachsenen, aber seltenen Moluschoaffen, der im Faraghad-Wald beheimatet war und wegen seiner geringen Größe kaum auffiel. Der Waldläufer hatte das winzige Äffchen kurz nach der Geburt gefunden und aufgezogen. Es war damals kaum größer als ein Daumennagel gewesen. Dennoch hatte der Waldläufer das jämmerliche Schreien des Moluschoäffchens mit seinem feinen Gehör wahrgenommen und es schließlich alleingelassen auf dem Ast eines Baumes entdeckt. Offenbar war die Mutter des kleinen Moluscho Opfer eines Räubers geworden oder sie hatte das Äffchen nicht als ihr eigenes angenommen, was des Öfteren vorkam und die Moluschoaffen bereits an den Rand des Aussterbens gebracht hatte.
Er nannte den zahmen Affen Pikko.
Lautlos und nahezu unsichtbar huschte er in rasendem Lauf über herabgefallenes Laub, an Bäumen, Sträuchern und Büschen vorbei, fegte Spinnennetze mit einer Handbewegung beiseite, duckte sich vor herabhängenden Ästen, sprang über Gräben, Steine, Wurzeln und schmale Bachläufe. Geschickt wich er Dornen und Zweigen aus. Er hatte während der letzten drei Tage keinen einzigen Kratzer abbekommen, obwohl er mitten durch das dichte Gestrüpp des Waldes gerannt war und dabei bewusst die breiteren, ausgetretenen Pfade gemieden hatte.
Bei jedem ungewöhnlichen Geräusch, Knacken von Ästen und Blätterrauschen in den Baumwipfeln blickte er sich gehetzt um und richtete seine von Erschöpfung und vom Genuss der Kopablätter rot geränderten Augen angespannt in Richtung der Baumkronen.
Eines seiner Augen war grün, das andere blau.
Seine Beine wirkten außergewöhnlich lang und harmonierten perfekt mit dem schlanken und sehnigen Rest seines Körpers. Er bewegte sich geschmeidig und fließend.
Die wilden Jäger waren ihm seit Beginn der Jagd dicht auf den Fersen. Natürlich hatte der Waldläufer seine Verfolger schon drei Tage zuvor erspäht, kurz bevor die Treibjagd um sein Leben begonnen hatte. Viel zu spät, wie er sich zu seinem großen Bedauern eingestehen musste. Eine einzige Unaufmerksamkeit, die er sich in den gefährlichen Wäldern nicht hätte erlauben dürfen. Ein Fehler, den er schwer bereute. Der Waldläufer war ein ausgezeichneter Jäger und Fährtenleser. Einer der Besten seines Stammes und ein stolzer Naiki noch dazu. Er war einer der Letzten der seit langer Zeit verschwundenen Völker der Altvorderen. Aber all diese Eigenschaften hätte er nicht gebraucht, um zu erkennen, wer ihn seit Tagen gnadenlos und hartnäckig durch den Wald hetzte. Er wusste, wie es sich anfühlte, gejagt zu werden. Nur waren die Rollen dieses Mal vertauscht. Er war der Gejagte und sie, seine Jäger, machten keinen Hehl daraus, ihm mit jeder Sardas deutlich zu zeigen, wer sie waren und was sie von ihm wollten.
Beinahe hatte er während der vergangenen Tage und Nächte, die er durch den Wald gehetzt worden war, schon vergessen, wie es eigentlich zu der unverzeihlichen Nachlässigkeit kommen konnte.
Aus dreihundert Fuß Entfernung, gut getarnt hinter einem Gebüsch, hatte er gebannt eine Gruppe von Rachuren beobachtet, die einige Sklavinnen durch den Wald trieben. Die meist jungen Klanfrauen waren in einer Reihe hintereinander mittels Seilen an Handgelenken und Knöcheln zusammengebunden. Das Gehen fiel ihnen deshalb schwer.
Eine von ihnen war ihm besonders aufgefallen. Sie wurde offenkundig anders behandelt und schien den Rachuren wichtiger zu sein als die anderen Sklavinnen. Bestimmt gehörte sie einem ihrer Anführer oder war womöglich sogar für die Saijkalsanhexe Rajuru als Dienerin vorgesehen, wie der Waldläufer angenommen hatte. Die Rachuren hatten ihre Hände und Füße um einen langen, stabilen Stab gebunden, dessen Enden zwei Rachuren jeweils auf den Schultern trugen. Sie wies einige Blessuren auf, ihr rötliches Haar war ausgerissen und abgeschnitten worden und sie war schwer misshandelt worden, soweit er das aus der Entfernung erkannt hatte. Die Frau hing an dem Stab mit Kopf und Rücken nach
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