Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Waldläufer gehörig ins Staunen, denn das Grollen hielt die anderen Tiere des Rudels zurück, die sich inzwischen abwartend in den Ästen der Baumwipfel in unmittelbarer Nähe niedergelassen hatten. Als er seine Augen wieder auf den Baumwolf richtete und schließlich genauer hinsah, wurde ihm schlagartig bewusst, warum sich die Rudeltiere so verhielten.
Der Anführer der Baumwölfe war ein verdammter Krolak. Er war größer und weitaus gefährlicher als jedes andere der von ihm angeführten Rudeltiere. Eines jener seltenen, meist verfluchten Wesen, die ihre Gestalt wandeln konnten. Der Waldläufer hatte schon einmal zuvor einen Krolak gesehen, allerdings in anderer, weit harmloserer Gestalt und nicht als Baumwolf. Sie waren einst verflucht worden und konnten den auf ihnen lastenden Fluch an ihre Opfer weitergeben, sofern diese den Angriff überleben und den Krolak im Kampf töten sollten.
Begierig leckte sich der Krolak das Blut von den Klauen. Er hatte das Vorrecht an der seit Tagen gehetzten Beute. Kein anderes Rudelmitglied machte ihm dieses Privileg streitig.
Das ist mein Blut, verdammte Bestie … Zorn flammte in den Augen des Waldläufers auf . Ich werde deinen Fluch nicht weitertragen.
Baijosto Kemyon, du bist drei Tage und Nächte bis zur Erschöpfung gelaufen. Und nun leckt der Baumwolf dein Blut, das seltene Blut der Altvorderen …, dachte er und zog ein langes Jagdmesser aus seinem Hüftgürtel. Aber kampflos bekommt ihr mich nicht. Euer Fressen wird sein Leben teuer verkaufen. Ich bin ein Jäger der Naiki! Jäger jagen Jäger. Kommt und holt mich, wenn ihr könnt.
Wieder öffnete der mächtige Baumwolf brüllend das Maul, zeigte seine messerscharfen Zähne und blies dem Waldläufer seinen stinkenden Atem direkt ins Gesicht. Der Anblick der ebenso spitzen wie langen gelb gefärbten Fangzähne des Raubtiers entmutigte den Waldläufer. Der Kampf gegen diesen Krolak konnte nur kurz ausfallen. Und bestimmt nicht zugunsten des Naiki. Seine Wunde brannte, als ob Salz darauf gestreut worden wäre.
Das ist das Ende, schlich sich ein fataler Gedanke in seinen Kopf. Der einst angesehene Jäger der Naiki wird von Baumwölfen gefressen. Was für eine schreckliche Ironie für einen Waldläufer. Und sollte ich dies hier überleben, werde ich womöglich selbst zu einem Krolak. Schöne Aussichten.
Der Baumwolf richtete sich in einer Drohgebärde zu seiner ganzen Körpergröße auf und überragte den Waldläufer um drei Köpfe.
Er misst gut und gerne neun Fuß, staunte der selbst nicht gerade klein geratene Naiki beim Anblick seines todbringenden Gegners. Der Gedanke raubte ihm die letzte gesunde Gesichtsfarbe. Das ist … verheerend.
Er schluckte schwer.
Die dunklen Augen des Baumwolfs starrten den Waldläufer gierig an, während ihm der Geifer aus dem Maul troff. Trotz seines großen Hungers nach Blut und frischem Fleisch blieb das Raubtier vorsichtig. Seine Instinkte funktionierten, und die Tatsache, dass er ein Gestaltwandler war, verlieh ihm selbst in der Gestalt des Raubtieres die notwendige Intelligenz. Keinen Augenblick lang ließ der Baumwolf das an der Klinge gezackte Jagdmesser in der zitternden Hand des Waldläufers aus den Augen und begann nun seine Beute auf zwei Beinen zu umkreisen, während er dabei zugleich versuchte den Abstand zwischen sich und seinem Opfer auf die Reichweite seiner Pranken zu verringern. Der Naiki drehte sich langsam und bedächtig mit den Umkreisungen des Baumwolfs um die eigene Achse mit.
Auge in Auge, du wirst mir nicht in den Rücken fallen, sagte sich der Waldläufer. Dies ist wahrscheinlich mein letzter Kampf . Ich darf keine Schwäche zeigen.
Näher und näher tastete sich der Baumwolf mit jeder Umrundung an sein Opfer heran. Der Naiki konnte den aufdringlichen Gestank der Bestie, den sie aus jeder Pore zu verströmen schien, mit seiner empfindlichen Nase riechen und beinahe jedes zottelige Haar am Körper seines Gegners einzeln zählen. Es war ein penetranter Geruch nach starker Männlichkeit, Exkrementen und Wald, muffig und unangenehm wie nasser Pelz auf schwitzender Haut.
Das Äffchen auf seiner Schulter putzte sich hektisch die Nase und hielt sich zwischendurch immer wieder vorsichtig am langen Ohrläppchen des Naiki fest oder versteckte sich hinter dem hohen Halskragen der Lederkleidung, wo es sich in Sicherheit fühlte und vorsichtig hervorlugen konnte. Das störte den Waldläufer nicht, denn er war es gewohnt, Pikko stets bei sich zu haben. Eine große
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