Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
musste das Rudel wohl in den Bäumen ganz in der Nähe gewartet haben, denn nur wenige Augenblicke nachdem ihn die langen, schlanken Beine eines Dauerläufers etwa dreihundert Fuß weitergetragen hatten, war hinter ihm schon deutlich das laute Heulen, Bellen und Kreischen der Baumwölfe zu hören.
Sie nahmen seine Witterung schnell auf und würden die Verfolgung nicht aufgeben, bis sie ihn am Ende gestellt hätten. Ein Fehltritt, ein unvorhergesehenes Stolpern oder einfach nur ein einziges Mal stehen bleiben – und die Baumwölfe hätten ihn im Nu in Stücke gerissen.
Ungefähr vierzig Tiere im Rudel zählte der Waldläufer beim ersten Umsehen in den Bäumen hinter sich. Ihnen voran schwang sich ein mächtiger, schwarz pelziger Leitbaumwolf, dessen Rücken im diffus durch die Baumkronen fallenden Licht silbrig glänzte. Die Rachuren waren vergessen. Der Waldläufer lief um sein Leben.
Am zweiten Tag der Jagd dachte er für einen Moment, er hätte die Baumwölfe tatsächlich abgehängt, weil es hinter ihm plötzlich still geworden war. Doch er täuschte sich.
Sie hatten lediglich ihre Taktik geändert, hatten das Heulen kurz eingestellt und waren über eine weite Fläche ausgeschwärmt, um ihm die Möglichkeit zu nehmen, einen größeren Haken zu schlagen oder durch eine List unbemerkt in ihren Rücken zu gelangen. Auf diese Weise wollten sie verhindern, dass ihr Opfer unbemerkt an ihnen vorbei und zurück in die andere Richtung laufen konnte.
Die Baumwölfe waren alles andere als einfach zu durchschauende Jäger. Im Gegenteil, im Rudel waren sie perfekt organisiert, untereinander besaßen sie eine ausgefeilte Verständigung aus Bewegungen, Geruchsmarken, heulenden Lauten und bellenden Rufen. Das größte und stärkste Tier führte die Jagd an. Eine solche Jagd wirkte stets wie abgesprochen und aufeinander abgestimmt. Jedes der Rudeltiere wusste genau, wo sein Platz war und was es zu tun hatte, um eine Jagd gemeinsam mit den anderen Rudeltieren erfolgreich zu beenden. Erfolgreich bedeutete in diesem Zusammenhang nur eines: die Beute zu stellen und zu töten.
Der Waldläufer hatte während der Verfolgungsjagd tunlichst versucht, das Rudel Baumwölfe nicht auf seine im Faraghad-Wald verborgene Siedlung der Naiki zu lenken. Er war deswegen weite Umwege gelaufen. Die Baumwölfe und insbesondere ein beeindruckendes Rudel von vierzig Tieren stellten eine große Gefahr für die in der Siedlung verbliebenen Angehörigen des Stammes dar, wenn sie diese unvorbereitet und ohne den Schutz der Jäger antreffen sollten.
Insgeheim hatte er gehofft, schnellstmöglich in ein Jagdgebiet zu gelangen, das von einer größeren Gruppe Jäger seines Stammes überwacht wurde. Dieser Rettungsgedanke glich angesichts der ausgedehnten Fläche des Faraghad-Waldes allerdings eher einem reinen Glücksspiel oder einem verzweifelten Wunsch. Die Jäger konnten nahezu überall sein, nur wahrscheinlich nicht an jener Stelle, an der er sie gerade brauchte.
Ein weiterer Griff in den Lederbeutel zeigte dem Naiki, dass sein Vorrat an Kopablättern langsam zur Neige ging. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann seine Kräfte schwinden würden und ihn das Rudel stellte.
Ein Rascheln im Blätterwerk und ein Krachen von Ästen in den Bäumen über ihm veranlassten ihn, sich erneut umzusehen. Pikko kreischte lauthals an seinem Ohr. Was der Naiki in den Bäumen erblickte, ließ ihn beinahe vor Schreck erstarren.
Es war so weit. Das Ende der erbarmungslosen Hetzjagd stand kurz bevor.
Der Anführer des Baumwolfrudels war nun gleichauf und stürzte sich mit einem lauten Brüllen waghalsig von oben aus den Bäumen direkt auf den Waldläufer. Der Naiki wirbelte herum, warf sich zur Seite und versuchte den klauenbewehrten Pranken des Baumwolfs noch im letzten Moment auszuweichen. Der heftige Schmerz an seiner Seite machte ihm allerdings überdeutlich, dass ihn der Prankenhieb trotz seiner schnellen Reaktion getroffen hatte und die scharfen Klauen Kleidung, Haut und Fleisch zerrissen hatten. Er blutete stark aus der tiefen Wunde. Das war nicht gut, denn wenn die Baumwölfe sein Blut erst einmal gewittert hatten, gab es kein Entrinnen mehr.
Nun stand er Auge in Auge dem gefährlichsten Raubtier der Wälder von Ell gegenüber. Ein tiefes Grollen löste sich aus der Kehle des Baumwolfs und ließ den Waldläufer erzittern. Pikko hüpfte aufgeregt und ängstlich auf seiner Schulter auf und ab. Das Äffchen gestikulierte und zeterte wild. Zugleich geriet der
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