Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
scheinenden Weiten des Faraghad-Waldes. Im Zentrum des Waldes, dort, wo das Licht kaum bis zum Boden vorzudringen vermochte. Niemand außer den Naiki selbst kannte den geheimen und gut gehüteten Standort. Und mit Ausnahme der Tiere des Waldes wagte sich auch kaum ein vernünftiges Wesen bis tief in das dunkle Herz des Faraghad-Waldes, in dem die Naiki nach ihrem Rückzug aus ihren einstigen Stammgebieten ihre versteckte Siedlung vor vielen Sonnenwenden errichtet hatten und damit für lange Zeit nahezu spurlos von der Oberfläche Ells verschwunden waren.
Die uralten, knorrigen Bäume des Waldes mit ihren mächtigen Stämmen reichten an dieser unerkundeten Stelle bis in die dicht begrünten Wipfel weit oben am Himmel. Sogar im Herbst und im Winter trugen die Bäume ihr Grün zur Schau. Dreihundertfünfzig Fuß Höhe und mehr waren für die ältesten Bäume keine Seltenheit. Ihre schorfige Rinde war an vielen Stellen von Schling- und Kletterpflanzen überwuchert, die sich beinahe bis unter das Blätterwerk der Baumwipfel streckten. An den im unteren Bereich befindlichen blattlosen, aber zahlreichen Ästen hatten sich hell schimmernde Flechten in bläulich grünen Farbtönen festgesetzt, die ihre bärtigen Ausläufer weit herabhingen ließen.
Aus der Erde ragten dicke, an der Oberfläche stark bemooste Wurzeln, die unregelmäßig und wild miteinander verschlungen waren. Sie verankerten die schweren Bäume tief in der fruchtbaren Erde des Waldbodens, gaben ihnen Halt und versorgten sie von weit unten mit Wasser und Nährstoffen. Ein sattes, dunkles Grün prägte die Lichtverhältnisse am mit herabgefallenem Blätterwerk übersäten Waldboden. Die hohen Bäume ließen nur selten genügend Licht durch, um eine starke Vielfalt an Pflanzen zuzulassen. Lediglich Schattengewächse mit großen dunkelgrünen, teils ledrig wirkenden Blättern, einige Anemonenarten und verschiedene Moose, die sich in fetten, saftigen Polstern zeigten, sowie allerlei große wie kleine Farne prägten das Bild der nächsten Umgebung. Viele Pilzarten hatten sich in unmittelbarer Nähe der Bäume angesiedelt, auch auf abgestorbenen Bäumen, Wurzeln und heruntergefallenen Ästen. Sie liebten die Feuchtigkeit am Fuß der mächtigen Bäume und bildeten meist Gruppen, die eine interessante Abwechslung zu den ansonsten auf den ersten Blick ähnlich wirkenden Schattengewächsen boten. Dennoch war die Vegetation im alten Herz des Waldes insgesamt üppig.
Vereinzelt durchbrachen Lichtstrahlen das nur im oberen Viertel dichte Blätterwerk der Bäume und zeichneten sich deutlich vor den ansonsten vorherrschenden grünen Schatten des Waldes ab.
Die Siedlung selbst war vom Boden aus mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen. Die Naiki hatten sämtliche, überwiegend aus Holz und dunklem Stein gefertigte, Häuser hoch oben in den Baumwipfeln errichtet. Im Zentrum befand sich das größte Gebäude der Siedlung, das Rathaus, das ebenso um eine wie zwischen einer Gruppe von sehr dicht zusammenstehenden Bäumen erbaut worden war. Das Dach des überwiegend aus Stein gefertigten Rathauses war mit aus Lehm gebrannten, grün und braun gefärbten Ziegeln gedeckt worden. Mit den beiden schmalen Zwillingstürmen reichte das Rathaus sogar über die höchsten Baumwipfel hinaus. Diese Zwillingstürme waren durch eine Sonnenterrasse miteinander verbunden. Von hier hatten die Naiki einen hervorragenden Überblick über weite Teile des Waldes und konnten bei klarer Sicht sogar bis zum Riesengebirge im Norden, zu den Küstengebieten im Osten und den Grenzlanden im Westen blicken.
Rings um das Rathaus herum führte ein hölzerner Vorbau, ähnlich einer breiten Terrasse oder eher eines groß angelegten Balkons, der mit einer durchgehend auf Brusthöhe angebrachten Brüstung gegen Fehltritte und Abstürze in die Tiefe gesichert war. Das Geländer war mit schönen, detailgetreuen und geradezu lebensecht wirkenden Schnitzereien verziert. Sie zeigten die beliebtesten Tiere des Waldes. Die Naiki waren in ihrem ganzen Wesen eng mit der Natur und insbesondere den Tieren verbunden. Jedem Naiki stand jeweils ein Tier besonders nahe, dessen Ruf und Verhaltensweisen von dem Waldbewohner auch studiert wurden. Mit diesem Tier bestand dann zeit seines Lebens – was sehr lange dauern konnte – eine tiefe Verbundenheit, die ihn in die Lage brachte, mit dem Tier zu sprechen und es für sich einzusetzen.
Die breiteste Stelle des Balkons diente den Naiki gleichzeitig als Versammlungs- und
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