Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
schwer, der Fährte des Knappen zu folgen. Das würde sich in nur wenigen Horas ändern, wenn sich die Wärme des Tages bis zur Tsairu schließlich durchsetzte und den Schnee verschwinden ließ. Sie fragten sich, wie groß Renlasols Vorsprung wohl bereits sein mochte. Der Knappe musste früh aufgestanden sein. Was auch immer ihn zu diesem Entschluss bewogen hatte, in ihren Augen war es äußerst dumm.
Renlasol folgte den Totenschädeln am Rande des Weges. Waren sie am Anfang des in die Berge führenden Pfades noch dichter gesetzt, wurden es allmählich immer weniger und die Abstände zwischen den Pfählen deutlich größer. An einer Weggabelung hielt er inne, um sich zu orientieren.
Sollte er weiter geradeaus reiten, direkt auf das Riesengebirge zu, oder den Weg Richtung Osten nehmen, um tiefer in das zerklüftete Land zu gelangen? Die Entscheidung fiel ihm nicht leicht, zumal er den nächsten Pfahl von seinem Standpunkt aus nicht erkennen konnte. Rechter Hand wurde das Gelände schnell unübersichtlich und war von beiden Seiten durch Felsformationen und krumm gewachsenen Kiefern umgeben. Der Weg in das Riesengebirge hingegen wurde zusehends schmaler und stieg auf Sichtweite deutlich an. Das steile Gelände hinderte ihn gewiss an einem zügigen Vorankommen. Selbst wenn er mit der Höhe auch eine bessere Übersicht gewinnen sollte, diesen beschwerlichen Weg konnte er seinem Pferd auf Dauer nicht zumuten. Er entschied sich dafür, den Weg gen Osten einzuschlagen. Dort rechnete er sich weitaus größere Chancen aus, auf den Todeshändler zu stoßen.
Der Weg bietet ausreichend Versteckmöglichkeiten für eine ganze Reihe von Wagen. Große wie kleine. Wer nicht gesehen werden will, nimmt bestimmt diese Richtung, dachte Renlasol und trieb sein Pferd an.
Kaum hatte er die nächste Wegbiegung hinter sich gebracht, scheute sein Pferd und stieg wiehernd auf die Hinterhufe. Renlasol hatte Mühe, sich im Sattel zu halten und nicht sofort zu stürzen. Doch das Pferd ließ sich nicht beruhigen, gebärdete sich stattdessen wie wild und war darauf aus, seinen Reiter abzuwerfen. In hohem Bogen und mit einem Schrei auf den Lippen flog Renlasol schließlich vom Pferd. Er schlug mit dem Kopf hart auf einem Felsen auf. Ein stechender Schmerz bohrte sich in seinen Schädel und ließ ihn aufstöhnen. Renlasol sah noch mit Entsetzen, wie das Pferd kehrtmachte und in Panik davonlief, bevor ihm schwarz vor Augen wurde und er das Bewusstsein verlor.
»Wir müssen die Pferde unbedingt schonen«, rief Drolatol Yilassa atemlos zu. »Wenn wir die Tiere weiterhin zuschanden reiten, brechen sie zusammen und wir schaffen es nicht mehr zurück zur Hütte.«
Den größten Teil des Weges hatten sie in rasendem Galopp zurückgelegt. Schaum sammelte sich an den Flanken der Pferde, die bereits schweißnass und an einigen Stellen wund geritten waren.
»Darauf dürfen wir keine Rücksicht nehmen«, schrie Yilassa ebenfalls nach Atem ringend. »Wenn wir Renlasol bis zum Eintritt der Tsairu nicht finden und zurückbringen, dann werdet ihr beide gemeinsam zur Hütte zurückreiten. Ich jedenfalls werde nicht umkehren, ehe ich ihn nicht gefunden habe, ob mit oder ohne Pferd ist mir gleichgültig.«
»Aber Zachykaheira hat gesagt ...«, wollte Pruhnlok einwenden.
»Ich weiß, was der Letztgänger gesagt hat«, unterbrach ihn Yilassa barsch, »der Bewahrer ist alt und übervorsichtig geworden. Auf sich allein gestellt hat Renlasol in dieser Gegend keine Chance zu überleben. Ich gab Lordmaster Madhrab das Versprechen, während der Reise auf den Knappen zu achten und sein Leben, sofern es nötig sein sollte, mit meinem zu beschützen.«
Yilassas Entschlossenheit ließ Drolatol und Pruhnlok verstummen. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie sich zu verteidigen wusste. Im Umgang mit dem Schwert stand sie einem Bewahrer kaum nach. Sie wussten auch, dass Yilassa dem Bewahrer des Nordens ihr Wort gegeben hatte, an das sie selbst in gewisser Weise gebunden waren. Unter keinen Umständen würde sie es brechen. Das Wort eines Kaptans der Sonnenreiter war Ehrensache bis zum letzten Gang zu den Schatten und es war genauso viel wert wie das unumstößliche Wort eines Bewahrers.
Außerdem gab es zwischen Yilassa und Renlasol eine engere Verbindung, die weder Drolatol noch Pruhnlok auf der Reise entgangen war. Yilassa empfand mehr als nur Sympathie für den Knappen. Was genau sie auch fühlen mochte, es ging ihr offensichtlich sehr zu Herzen und sie machte keinen Hehl
Weitere Kostenlose Bücher