Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
einmal. Ihr seid fast so etwas wie ein Freund oder zumindest ein guter Berater für mich geworden, und ich will deshalb offen zu Euch sprechen. Ihr seid ein Praister und als solcher nicht überall in gleichem Maße beliebt und anerkannt. Die Geschichte der Praisterschaft zeigt – und dem entspricht bedauerlicherweise auch Euer Ruf unter den Klan –, dass Ihr mehr gefürchtet als geliebt werdet und gemeinhin als verschlagen oder heimtückisch geltet. Aus vielen Mündern bekomme ich Warnungen zugeflüstert, Euch nicht zu vertrauen.«
»Es schmerzt mich, dies aus Eurem Munde zu hören, mein Herr«, antwortete Henro. »Die Praister wollen nur das Beste. Es war selbstverständlich für Thezael und mich, dass wir Euch bei der Errichtung der Tempel der Kojos mit Rat und Tat behilflich sein mussten. Die Anunzen haben wir Euch aus freien Stücken sehr gerne gegeben und werden diese nicht zurückverlangen. Nutzt das Gold, wo immer Ihr es für die Stadt gebrauchen könnt. Nach Errichtung der Tempel bleibt eine gehörige Summe übrig, die Ihr für Eisbergen nach Belieben verwenden könnt.«
»Ich weiß«, meinte Corusal, »aber es musste leider sein. Die Nachrichten aus Tut-El-Baya beunruhigen mich sehr. Niemand kann mir sagen oder bestätigen, was sich tatsächlich dort ereignet hat und weiterhin geschieht. Die wildesten Gerüchte sind über die Praister und Ihren obersten Herrn im Umlauf. Stimmen die Berichte, werde ich umgehend handeln und die Regentschaft an mich reißen müssen. Angeblich hat Thezael die Regentin gestürzt und sie sogleich den Schatten übergeben. Der oberste Praister herrscht mit eiserner Hand über die Klanlande und schreckt nicht einmal davor zurück, die Inquisition erneut auszurufen und mit ihr alle Mittel der Barbarei. Thezael hat die Schatten in die Hauptstadt gerufen, um seine Macht zu sichern.«
»Ich weiß nicht mehr als Ihr selbst, mein Fürst.«
»Das mag sein, aber ich will, dass Ihr meine Entscheidung versteht und dieser aus freien Stücken Folge leisten werdet.«
Henro nickte. Der Praister wusste zwar noch immer nicht, was der Fürst von ihm wollte. Aber er war gespannt, was dieser ihm im Verlauf des Gespräches mitteilen würde. Er hatte befürchtet, dass das Fürstenhaus Alchovi nicht länger wartete, sobald sie von der Absetzung Raussas erfahren hatten. Wenn sich aus der herrschenden Familie keine Nachfolge ergab, war es die Pflicht des stärksten Fürsten, sich um die Regentschaft zu bewerben und die Ordnung wiederherzustellen. Es war unverkennbar, dass dies nach dem Tod des Fürsten Fallwas nur Corusal Alchovi sein konnte. Er war der einzige Fürst, der diesen Anspruch durchsetzen konnte. Mit den Eiskriegern im Rücken besaß er die besten Aussichten. Die übrigen Fürsten waren nicht stark genug, sie würden Thezael schon aus Angst vor weiteren Einschränkungen ihrer eigenen Pfründe und einem drohenden Bürgerkrieg ergeben folgen und dessen Herrschaftsanspruch nicht infrage stellen. Ein Praister als Regent. Offiziell würde er diesen Titel niemals erlangen, aber das war Thezael gleichgültig. Der Praister kämpfte im Namen der Kojos erbarmungslos um die Vorherrschaft.
»Ihr könnt nicht länger im Eispalast bleiben und ich wünsche, dass Ihr Eisbergen unverzüglich verlasst«, sagte der Fürst plötzlich mit einer Kälte und Klarheit in der Stimme, die Henro erschaudern ließ. »Kehrt nach Tut-El-Baya zurück und berichtet Eurem Herrn, dass ich bald kommen werde, die Verhältnisse zu ordnen. Ich habe mir diesen Schritt lange und sorgfältig überlegt. Die Sicherheit Eisbergens und des Eispalastes aufzugeben und diese gegen den Kristallpalast und die Wirren von Tut-El-Baya einzutauschen, fällt mir gewiss nicht leicht. Das könnt Ihr mir glauben. Aber es wird das Beste für die Klanlande sein, wenn die Nno-bei-Klan überhaupt eine Zukunft haben sollen. Also werde ich dieses Opfer im Dienste meines Landes erbringen und mich der Verpflichtung stellen. Richtet Eurem Herrn aus, dass er alles Notwendige für die Übernahme der Regentschaft vorbereiten soll. Es soll ihm kein Schaden dadurch entstehen. Thezael wird weiterhin die Hoheit über die Praister behalten, sofern er sich dazu überreden lässt, die Inquisition und Barbarei auf der Stelle zu beenden.«
»Gewiss, mein Fürst!«, antwortete Henro, der gleichzeitig versuchte, seine Erschrockenheit über die Pläne vor dem Fürsten zu verbergen. »Wann dürfen wir mit Eurem Eintreffen rechnen?«
»Spätestens in drei Monden will
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