Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
ich in Tut-El-Baya sein. Die Eiskrieger werden mich auf der Reise begleiten.«
»Das wird Thezael nicht gefallen, mein Fürst«, widersprach Henro. »Die Leibgarde des Regenten hat im Kristallpalast und in der Stadt das Sagen. Bringt Ihr die Eiskrieger nach Tut-El-Baya, wird dies nach einer offenen Kampfansage aussehen. Ich denke nicht, dass dies ratsam wäre.«
»Wir leben in harten Zeiten und die Eiskrieger genießen mein vollstes Vertrauen. Sie werden die Leibgarde des Regenten ersetzen und auch künftig stellen. Ich wäre schlecht beraten, wenn ich in diesem Fall nicht auf meine eigenen Vertrauten setzen würde.«
Henro erkannte, dass es Zeit war, zu handeln. Der Fürst würde sich nicht von dem Vorhaben abbringen lassen, und ihm blieb wenig Zeit für das Attentat auf das Leben Corusals. Der Fürst schickte ihn zurück. Käme Henro dieser Aufforderung nach, stünde er vor Thezael mit leeren Händen.
Corusal erhob sich und ging zum Fenster, um auf das Meer und über seine geliebte Stadt zu blicken.
»Ich werde Eisbergen und die klare Luft über der Stadt sehr vermissen«, seufzte Alchovi, während er einen tiefen Atemzug tat. »Wer weiß, ob ich die Stadt je wiedersehen werde, nachdem ich die Regentschaft in Tut-El-Baya angetreten habe.«
Keine Sorge, Ihr werdet sie nicht wiedersehen, dachte Henro, die Schatten warten schon.
Der Praister musste nicht sonderlich feinfühlig sein, um zu bemerken, wie schwer dem Fürsten die Entscheidung gefallen war. Die kurze Unaufmerksamkeit nutzend hob Henro den Ringfinger unbemerkt über den Tisch, öffnete vorsichtig die kleine Klappe und ließ unbemerkt einen winzigen Tropfen Gift in den halb vollen Becher vor ihm fallen. Ehe sich Corusal ihm wieder zuwandte und auf seinem eigenen Sitz gegenüber Platz nahm, hatte er den Ring an seinem Finger wieder zurechtgerückt und zeigte sich von seiner unschuldigen Seite.
Der Fürst griff nach dem vor ihm stehenden Becher und wollte diesen gerade an die Lippen führen, als Henro mit Entsetzen feststellte, dass dies das falsche Gefäß war.
»Verzeiht, mein Fürst«, hielt er Corusal vom Trinken ab, »ich glaube, Ihr habt Euch versehentlich meinen Becher genommen. Nicht dass es mich stören würde, es ist eine Ehre für mich, wolltet Ihr aus meinem Becher trinken. Aber ich fühle mich elend und würde Euch ungern mit einer aufkeimenden Krankheit anstecken. Ihr solltet vorsichtshalber davon absehen.«
Der Fürst sah den Praister scharf und prüfend an, bevor er den Becher vor sich auf den Tisch abstellte. Sein Blick ging in ein leichtes Schmunzeln über.
»Ihr müsst Euch irren, Henro«, sagte Corusal, »ich kenne meinen Trinkbecher genau. Seht hier …« – er drehte den Becher und deutete auf die in Runenschrift eingravierten Initialen auf der anderen Seite seines Bechers – »…die Gefäße des Fürsten sind von jeher auf solche Weise gekennzeichnet, um solche Missverständnisse zu vermeiden. Ihr müsst Euch also keine Sorgen um meine Gesundheit machen.«
Der Fürst nahm den Becher sofort wieder auf und trank einen großen Schluck Morgenruf, während Henro verloren auf seinem Schemel zusammensank und sich fieberhaft überlegte, wie er diese Situation retten konnte. Wie hatte ihm dieses Missgeschick passieren können? Er hatte tatsächlich die Becher verwechselt und das Gift versehentlich in seinen eigenen Trank geträufelt. Die Gelegenheit war dahin. Nun musste er zusehen, wie er sich daraus retten konnte, und sich etwas Neues einfallen lassen.
»Wollt Ihr noch einen Schluck Morgenruf?«, der Fürst hielt einen Tonkrug in der Hand und war gerade dabei, dem Praister nachzuschenken.
»Oh … ähm … nein, vielen Dank«, sagte Henro in einem Rettungsversuch mit einem verlegenen Lächeln auf dem Gesicht, die ihm die Röte auf die Wangen trieb, »ich hatte bereits genug davon. Ein Schluck mehr und ich werde sogleich aufstürmen und in Eurer Kammer wie ein aufgescheuchtes Stück Wild umherrennen.«
»Wie Ihr meint«, sagte Corusal und stellte den Tonkrug wieder auf den Tisch.
Henro und Corusal sahen sich eine Zeit lang schweigend in die Augen. Es fiel dem Praister schwer, dem fixierenden Blick des Fürsten lange standzuhalten. Ein aufkommendes Brennen in den Augen blinzelte er mehrfach weg. Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn, bahnten sich ihren Weg entlang der Schläfen hinab zu den Wangen und Mundwinkeln und kitzelten ihn.
»Wolltet Ihr mich vergiften?«, brach Corusal plötzlich das Schweigen, ohne dabei
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